Kommunikation findet überall dort statt, wo Menschen
aufeinander treffen, mit einander arbeiten oder familiären Umgang pflegen. Der
verbale Austausch ist somit die normalste, durchaus wichtigste – und, leider,
wie unschöne Beispiele zeigen, auch manchmal schwierigste Sache der Welt!
Nämlich genau dann, wenn Sender und Empfänger sich missverstehen und der
gepflegte Gesprächsaustausch aus den Rudern gerät. Feindseeligkeiten und bösartige
Wortattacken besitzen die unangenehme, auch unvorteilhafte Eigenschaft zu
zermürben, die Familienidylle zu stören, das Arbeitsleben unerträglich zu
machen und enden nicht selten in einer auswegslosen Eskalation. Das Zünglein an
der Waage ist und bleibt die Toleranz und die Weitsicht. „Nimm dein Gegenüber
richtig wahr, erkenne seine Beweggründe, finde heraus, warum er so tickt, wie
er tickt und stell dich auf ihn ein“ lautet die Devise. Denn nichts anderes
erwarten wir auch von ihm. Mit ein Stückchen mehr Achtsamkeit uns selbst und
dem Anderen gegenüber hat Kommunikation in Zukunft die Chance gewaltfrei
verstanden zu werden. Denn nichts ist dramatischer wie starre
Kommunikations-Selbstläufer, welche oftmals erst dann gewillt sind die Richtung
zu ändern, wenn Fäuste fliegen oder psychischer Schaden entsteht.
Konzept: Gewaltfreie
Kommunikation. Was steckt dahinter?
Unter Gewaltfreier Kommunikation (GFK) verstehen wir ein Konzept für ein besseres
Miteinander auf verbaler, menschlicher Ebene. Diese Methode darf letztlich zu
einem guten Kommunikationsfluss, zu mehr Vertrauen und Lebensfreude, gerade
auch im Arbeitsalltag führen. Entstehende Konflikte sollen hierbei schon im
Vorfeld ausgeräumt, sozusagen „gesund gepflegt“ werden. GFK zielt auf mehr
Kooperation, mehr gemeinsam erlebte Kreativität ab und wird nicht umsonst als
„verbindende Kommunikation“ bezeichnet. Aktives Zuhören und ein über den
gesprächstherapeutischen Rahmen reichendes Achtsamkeitsmodell sorgen bei
konsequenter Beachtung der „Spielregeln“ für eine vielfach geforderte Gewaltfreiheit
in unseren Familien, auf unserer Arbeit und im Alltag allgemein.
Schlange und Giraffe
– Gift und Tücke versus Weitsicht und Toleranz
Die „Schlange“ symbolisiert in abstrakter
Weise die „giftige“, also negative Form der Kommunikation. Absichtliche
Demoralisierung mit scharfzüngigen Worten, ungültige Vergleichsziehung, das
Stellen von teils unfairen, nicht nachvollziehbaren Forderungen und das
überhebliche, bösartige Urteilen über Arbeitskollegen, Nachbarn, die Ex-Frau –
oder auch den Briefträger, welcher gewiss nur unsere Post bringen möchte und
rein gar nichts dafür kann, wenn ein „Liebesbrief“ der Behörde darunter ist!
Die „Giraffe“
steht bildlich gesehen für Weitsicht, Achtsamkeit und Gutmütigkeit. Ihr langer
Hals lässt sie weit in die Zukunft schauen. Drum agiert sie stets behutsam, auch
vorausschauend. Sie besitzt ein warmes Herz. Hinterhältigkeiten sind ihr fremd.
Ihr Heil ist die Harmonie. Auf ihrem guten, achtsamen Gemüt basiert auch das
Grundmodell der GFK. Wichtig laut GFK ist zunächst die präzise Beobachtung
eines Geschehens, das neutrale Beschreiben der Handlung – ohne eine persönliche
Bewertung mit einfließen zu lassen. Diese „nüchterne“ Sichtweise soll verbale
„Ausrutscher“ schon im Vorfeld ausbremsen. Emotionen, welche in der Beobachtungsphase
hochkommen, sind oftmals ganz eng an bestimmte Bedürfnisse (Kontakt,
Verständnis, Sicherheit…) gekoppelt. Der Indikator Emotion zeigt, ob ein
Bedürfnis befriedigt oder vernachlässigt wurde. Anhand von Bedürfnissen können
alle Beteiligten einen gemeinsamen, kreativen Weg finden und zur gewaltfreien
Kommunikation finden.
Unterschieden wird
laut Rosenberg zwischen: gewaltfreier Kommunikation, lebensentfremdender
Kommunikation und empathischer Reaktion auf lebensentfremdende Kommunikation.
Gewaltfreie
Kommunikation – von Theorie und Wirklichkeit
Viel fundierte Theorie. Schauen wir doch einfach mal ein
wenig hinter die Kulissen des lebendigen Miteinanders, der Realität. Für wahr
ist GFK ein grandioses Konzept. Würden alle Menschen GFK Gehör schenken, wäre
unsere Welt eine bessere. Alles Drumherum wäre in Watte gepackt und
wahrscheinlich auf Dauer schrecklich eintönig!
Sicher ist ein empathisches Miteinander wünschenswert.
Dennoch stellt sich die Frage, wie sich dieser synthetische „Weichspüler“ in
unsere stressige, schnelllebigen Zeit umsetzbar integrieren lässt. Dies
wiederum bedeutet: mehr stressfreie Pufferzonen schaffen, welche Gewalt-Kommunikationen
eventuell vorbeugen. Denn generell gilt: Unentspannte Menschen schaffen es zwar,
sich im Notfall mit spitzen Worten zurückzuhalten, aber irgendwann platzt ihnen
dann doch der berühmte Kragen und alle guten Vorsätze sind dahin.
Gewaltfreie
Kommunikation – Verhaltensmuster auf den Lemming gebracht!
Menschen pure Empathie einzuimpfen, eine Art Konditionierung
anzustreben, widerstrebt Mutter Natur. Wir alle sind verschieden und ein
Empathie-Selbstbedienungs-Baukasten wird daran auch nicht das Geringste ändern.
Bevor Menschen definitiv bereit sind, sich zum Wohle der gesamten Gemeinschaft
freiwillig zu verbiegen, endlos viel Zeit mit Nachdenken zu verbringen um sich
dabei innerlich doch nicht ganz d’accord zu fühlen, gehen viele lieber stiften.
Wie also dürfen wir diese positive Verhaltensanpassung verstehen?
Erwartet uns demnächst etwa ein „Lexikon-Dasein“? So à la:
Wenn XY das sagt, fühlt er sich wohl ABC und dies hat bestimmt damit zu tun,
dass seine MNO kein Parfum trägt und sein Hamster hustet. Also, schaue ich
schnell nach, was ich XY empathisch entgegne, achte natürlich währenddessen
darauf, wie ich mich dabei fühle und komme mir letztlich vor wie der Mann im
Mond. Mein inneres Versuchslabor kollabiert und ich suche mir schnell eine
dunkle Ecke, wo ich mich nach meiner unterdrückten Lachattacke von einem deftigen
Zwerchfellbruch erholen darf. Oder noch subtiler. Wir beginnen Empathie zu
klonen, Antworten und Fragen vorher abklären zu lassen... Nein, noch besser: ich
lasse mein Gegenüber gleich die Antwort geben, welche er gerne hören würde. Nur
umgekehrt wird es dann wieder diffizil.
Wobei ich immer noch nicht ganz verstehe, was Gewalt mit
Kommunikation zu tun hat? Ironie, Sarkasmus, eine witzige Argumentation
befördern den Arbeitskollegen ja nicht gleich in die Klapse, wo er mit
Beruhigungspillen vollgepumpt, auf seine befreiende Versetzung wartet?
Fazit:
Mensch, wo leben wir denn? Ist es wirklich so schlimm, dass
wir Erdenbürger uns manchmal missverstehen, etwas in den falschen Hals bekommen
oder uns einfach nur zu viele Gedanken machen?
Richtige Gewalt fühlt sich ganz anders an und diese beginnt
bestimmt nicht mit dem unreflektierten Satz: „Was haben Sie denn hier zu sagen?“
Was ich nicht hören will, höre ich einfach nicht. Natürlich
nehme ich die Aussage meines Kollegen wahr, dennoch schwenke ich spontan zur
Lösungsfindung um, in welche ich mein Gegenüber ganz selbstverständlich mit
einbeziehe. Wir legen unsere Meinungen zusammen, picken uns die beste Strategie
raus und schon gehe ich einem „Streitgespräch“
entspannt aus dem Weg. Ich glaube damit dürften alle Beteiligten gut arbeiten
können, ohne dabei auch nur ansatzweise ihr ehrliches Gesicht zu verlieren.
Also: don’t worry, be happy! Vorgespielte, gar
einprogrammierte, empathische Kommunikation kann trügen und führt nicht immer
zum gewünschten Erfolg. Aber, keine Sorge. Wir bekommen das schon hin! Denn eigentlich,
ja eigentlich benehmen wir uns von Natur aus verbal doch recht gut und gehen in
der Regel auch angenehm gesittet miteinander um. Von „Untergangsstimmung“ keine
Rede. Die Kommunikation in all ihren Facetten lebt und gedeiht. Das große
Schweigen bleibt weiterhin aus!