Mittwoch, 28. September 2016

Gut, wenn Lean Management ohne Changemanagement funktioniert, oder?






„Werte ohne Verschwendung schaffen“ – dafür steht Lean Management und so mancher Manager scheint das wortwörtlich zu nehmen. Changemanagement scheint nämlich in den Lean Management Prozessen oftmals als eine solche Verschwendung angesehen zu werden. Ein fataler Denkfehler, denn wie soll Lean Management ohne Changemanagement überhaupt im Unternehmen etabliert werden?

Lean Management – gute Idee, schlecht umgesetzt

Es soll an dieser Stelle nicht abgestritten werden, dass im Dschungel der stetigen Umstrukturierungen das Changemanagement manchmal eher verwirrend als sinnvoll sein mag. Wenn dann die Unternehmensführung nach einer weiteren Veränderung ruft, dem „Lean Management“, hält sich die Begeisterung der verantwortlichen Führungskräfte, Qualitätsmanager sowie der betroffenen Mitarbeiter wenig überraschend in Grenzen. Dabei ist Lean Management schlicht gesagt eine wirklich gute Idee. Es rückt wieder in den Fokus, was viele Unternehmen mit verheerenden Folgen aus den Augen verloren haben: der Kunde. Schlussendlich bringt es schließlich dem Unternehmen reichlich wenig, wenn es die Prozesse hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit überoptimiert hat, während kein Kunde das Produkt oder die Dienstleistung kaufen möchte. Können Sie uns so weit folgen? Doch das ist nicht das einzige Argument für den Lean Management Ansatz: Konzentration auf die eigenen Stärken, kontinuierlicher Verbesserungsprozess, kundenorientierte Strukturen und ein Kulturwandel im Unternehmen mit dem Verständnis „Führung als Service am Mitarbeiter“ – das dürfte nicht nur für die Unternehmensführung attraktiv klingen, sondern auch für die Kunden und die Mitarbeiter, oder? 

Wenn wir uns also einig sind, dass Lean Management eine wirklich gute Idee ist, wieso gibt es dann immer noch diese verheerenden Mängel in der Umsetzung? Das Problem liegt nicht im Lean Management, sondern schlichtweg im Changemanagement. 

Lean Management muss von den Mitarbeitern mitgetragen werden

Versetzen Sie sich hierfür einmal in die Lage Ihrer Mitarbeiter: Wie viele Veränderungsprozesse wurden in den letzten Jahren in Ihrem Unternehmen umgesetzt? Wie fühlen sich Ihre Angestellten, wenn nun eine erneute Umstrukturierung angekündigt wird? Vermutlich sind sie genervt oder vielleicht sogar ängstlich um ihren Arbeitsplatz. Nur wenige Führungspersonen verstehen es leider bislang, die Mitarbeiter aktiv in Veränderungsprozesse einzubeziehen und dafür zu sorgen, dass diese das Changemanagement nicht nur akzeptieren, sondern sogar aktiv mittragen. Und wie geht das am besten? Indem Sie Ihre Angestellten nicht nur über das neue Lean Management im Unternehmen informieren, sondern sie davon überzeugen, sodass sie angstfrei in eine positive Zukunft blicken und die Vorteile der durchgeführten Veränderungen erkennen können. Eigentlich sollte dies beim Lean Management ein einfaches Unterfangen sein. So viel zur Utopie. Der Blick in die Realität sieht jedoch meist anders aus: Die Unternehmensführung bestimmt die Veränderungsprozesse, die Mitarbeiter erhalten die zur Einführung des Lean Managements notwendigen Schulungen, zeigen sich kooperativ und…

Es fehlt an Kontrollinstanzen, liebe Unternehmensführung!

…kehren in die alte Routine zurück. Klar, wenn hier niemand kontrolliert ob der „Change“ auch umgesetzt und Lean Management gelebt wird, wieso sollten dann bislang funktionierende Strukturen aufgelöst und verändert werden? Das ist nicht einmal böser Wille, sondern Routine ist schlichtweg menschlich. Jeder Mitarbeiter wird sich die Hände reiben, wenn der gefühlt tausendste „Change“ wieder einmal ohne die gefürchteten Veränderungen verpufft und er in die gewohnten Strukturen zurückkehren kann – Verschwendung hin oder her. Es liegt daher an Ihnen, liebe Unternehmensführung, Lean Management nachhaltig im Unternehmen einzuführen und dessen Umsetzung zu kontrollieren und einzufordern. Ohne Changemanagement werden sonst all Ihre fruchtlosen Bemühungen für ein professionelles 

Lean Management selbst zur Verschwendung.

Donnerstag, 15. September 2016

Planung: Was der Gotthard-Basistunnel mit einer Weihnachtsfeier gemeinsam hat





Der Gotthard-Basistunnel (GBT) ist eine planerische Meisterleistung, manche sprechen sogar von einem Wunder. Ganz so weit geht der Projektleiter Peter Jedelhauser zwar nicht. Aber stolz ist er schon auf die Arbeit, die in erster Linie durch ein Größtmaß an Effizienz geprägt war.
Der offizielle Baubeginn der Gotthard-Basistunnels war 1993. Das offizielle Bauende wiederum sollte im Dezember 2016 sein. Im Zeitalter peinlicher Flughafenfehler in Berlin und sich ewig hinziehender Baumaßnahmen an einem hochmodernen Konzerthaus in Hamburg sind derlei Ziele scheinbar nicht erreichbar. Wir wissen doch heute, dass Planung und Umsetzung immer wieder in einem knisternden Spannungsfeld zueinander stehen. Nun konnte aber der Tunnel in der Schweiz sogar noch vor Jahresende eröffnet werden. Da liegt die Frage nahe: Wie ist das bloß möglich?
Die Ausgangslage …
war alles andere als einfach. Gebirgsentwässerungen waren ebenso ein Problemfeld wie Bergwasserzuflüsse, denn beides hätte erheblichen Einfluss auf den Tunnelbau nehmen können. Umso wichtiger war eine genaue Risikoanalyse der Ausgangssituation. Schon hier zeigt sich die ganze logistische Leistung der Planer, die vor dem Baubeginn alle Eventualitäten in ihre Überlegungen haben einfließen lassen. Etwas süffisant könnte man sagen, dass vergleichbare Projekte, die scheiterten, gut daran getan hätten, mehr Augenmerk auf die Startlöcher zu richten und weniger an den großen Tag der Eröffnung zu denken. 
Der Projektleiter plaudert aus dem Nähkästchen
Peter Jedelhauser, der Projektleiter der SBB, arbeitet vornehmlich von seinem Büro in Luzern aus. Es kann als Schaltzentrale betrachtet werden, von wo aus im Wesentlichen zwei Fragestellungen jeden Tag aufs Neue im Vordergrund stehen. Die erste lautet: „Wo kann das nächste Problem auftreten?“ Und die zwei heißt: „Welche Lösung habe ich?“
Klingt schlüssig und nachvollziehbar, doch dahinter steckt ein enormer Aufwand, der nur wirksam betrieben werden kann, wenn alles in den Dienst der Effizienz gestellt wird. Umso überraschter war der Journalist, der ein Interview mit Jedelhauser führen konnte, als er sah, dass alles Wichtige auf einem Poster zusammengefasst war. Verständlich daher seine Frage an den Projektleiter, wie ein so großes Projekt mit so geringem Aufwand realisiert werden könne. Das sehe ja aus wie die Planung für „eine etwas größere Weihnachtsfeier“, staunte der Journalist. Damit lag er allerdings gründlich daneben, denn was wie die Planung einer kleinen Fete wirkte, umfasst unter anderem rund 1.600 Meilensteine, einer wichtiger als der andere. Jedelhauser betont, dass auf der einen Seite ein Größtmaß an Übersicht wichtig ist, um schnell einen Blick auf das große Ganze zu haben. Andererseits aber jedes Details geplant werden muss. Das funktioniert nur, wenn die Arbeit präzise aufgeteilt und jeder Bereich genau definiert wird. 
Der Zug als Was-passiert-dann-Maschine
Sicher kennen Sie noch den Klassiker aus der Sesamstraße, in dem Kermit der Frosch seine revolutionäre Was-passiert-dann-Maschine vorstellt. Ziel des kleinen grünen Frosch-Dozenten ist das Einschalten seines Radios mittels eines Sandsacks, einer Wippe und eines mit Helium befüllten Ballons. Es ist allgemein bekannt, dass das Experiment gründlich scheiterte. Nichts geschah so, wie von Kermit geplant, und am Ende war die Wippe zerbrochen und das Radio flog mit dem Ballon davon.
Bei der Planung des Gotthard-Basistunnels gingen Jedelhauser und sein Team im Prinzip ähnlich vor wie Kermit. Sie planten mögliche Szenarien und erstellten so eine umfassende Risikoanalyse. Diese Arbeit nach dem „What-if“-Prinzip verhalf den Fachleuten schon im Vorfeld zu wichtigen Erkenntnissen über mögliche Probleme und Fehler. 
Doch der entscheidende Unterschied zu anderen Projekten ist wohl auch das, was den Erfolg des Gotthard-Basistunnels ausmacht. Der Fokus lag nämlich nicht bei der Frage, was technisch möglich ist (diese Fragestellung folgte erst im nächsten Schritt), sondern was der Kunde will, was ihn zufriedenstellt, ja, glücklich macht. Oft stehen bei Bauvorhaben die technischen Möglichkeiten im Vordergrund, auf Grundlage derer analysiert wird, ob diese Rahmenbedingungen zu den Wünschen des Kunden passen. Der Kunde steht also gewissermaßen erst an zweiter Stelle, er muss sich den Gegebenheiten anpassen. Nicht so beim GBT. Jedelhauser stellte zunächst die Frage, was der Kunde braucht, damit das Projekt in seinen Augen erfolgreich ist. Zum Beispiel einen verlässlichen und ausgereiften Fahrplan, aber auch Zulaufstrecken für Mehrverkehr. Darauf aufbauend stellten sich die Fragen nach dem optimalen Einsatz des Stroms, die nach neuem und bestehendem Rollmaterial und nicht zuletzt die nach dem Personal für den Personen- und Güterverkehr. Sie sehen: maßgeblich bei den Planungen war der gesunde Menschenverstand, der sich an dem orientiert, was für einen Tunnel dieser Größenordnung wichtig ist. 
Alle mitnehmen
Doch woran liegt es, dass der Gotthard-Basistunnel so reibungslos gebaut werden und auch noch früher als geplant fertiggestellt werden konnte? Jedelhauser gibt eine sehr nachvollziehbare Antwort: „Wir mussten nie über die politische Legitimation diskutieren.“
Was er meint, ist die breite Unterstützung seitens der Schweizer. Während bei anderen Großprojekten im Vorfeld nicht daran gedacht wird, dass das Vorhaben auch auf Ablehnung stoßen könnte (was dann in der Folge zu regelmäßigen Verzögerungen führt), standen für den Gotthard-Basistunnel praktisch alle hinter der Idee.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: 
·        Präzise Planung ist alles. Daher ist eine gründliche Risikoanalyse so wichtig. Fehler bzw. potenzielle Fehler so früh wie möglich zu erkennen, ist unabdingbar, um auf möglichst viele Eventualitäten vorbereitet zu sein. 
·        Ohne Arbeitsteilung läuft nichts. Die rund 1.600 Meilensteine, die sich aus dem Bau des Gotthard-Basistunnels ergaben, mussten nicht nur verfasst, sondern auch auf das gesamte Team verteilt werden. Wenn jeder weiß, was zu tun ist und Fehler und Probleme offen benannt werden, lassen sich Störungen schneller und effizienter beheben (denn ein Großprojekt, das völlig ohne Störungen auskommt, gibt es nicht).  
·        Der gesunde Menschenverstand darf nie fehlen. Die rein technisch-akademische Herangehensweise ist meist nicht im Sinne des Kunden. Vielmehr muss der Ansatz sein, die Kundenbedürfnisse zu analysieren und daraufhin das technisch Mögliche zu erarbeiten. 

Der Gotthard-Basistunnel zeigt, dass es tatsächlich noch Großprojekte gibt, die sich erfolgreich realisieren lassen. Er zeigt aber auch, dass eine bedarfsorientierte Planung und der Ansatz, alle Beteiligten an den Prozessen zu beteiligen, von enormer Bedeutung sind. Hierbei geht es in erheblichem Maße um Identifikation mit dem Projekt, die vom Projektleiter bis zum Arbeiter reichen muss. Eines der Geheimnisse beim Bau des Gotthard-Basistunnels ist die Tatsache, dass die Arbeitsteilung nicht nur bis ins kleinste Detail alle Beteiligten betraf, sondern dass jeder noch so kleine Schritt in seiner Wichtigkeit erkannt wurde. 
Peter Jedelhauser hat übrigens auch für sich persönlich etwas gelernt. Denn er behauptet keineswegs, dass die Realisierung des GBT für ihn eine leichte Angelegenheit war. Oft konnte er nicht schlafen, nahm Arbeit gedanklich mit nach Hause und grübelte darüber, was alles schieflaufen könnte. Nachdem das Projekt abgeschlossen war, kam er nicht nur eine Weile zur Ruhe. Er lernte auch, hin und wieder mal völlig abzuschalten. 
Ich glaube, ich kann das heute besser als früher“, sagte Jedelhauser im Interview. Man hört deutlich heraus, dass er wohl das Gefühl hat, auch auf diesem Gebiet noch „Luft nach oben“ zu haben.




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