Sonntag, 27. November 2016

FMEA, Lean und Qualitätsmanagement








Ein Mann geht mit seiner Gattin in ein feines Lokal und will sich einen schönen Abend machen. Es wird ein Süppchen an Schaum von sonstwas serviert, doch leider fällt dem Herren der Löffel auf den Boden. Er winkt den Kellner heran und sagt: "Herr Ober, mir ist der Löffel he- " und in dem Moment zieht der Kellner einen neuen Löffel aus seiner Brusttasche und reicht ihn dem verdutzen Gast. Abend gerettet, der Rest des Abends verläuft ereignislos und später kommt man mit dem Kellner ins Gespräch und lobt den aufmerksamen Service. "Ja," sagt der Kellner. "Wir haben Qualitätsmanagement eingeführt und Prozessoptimierung betrieben. Im Rahmen der FMEA fiel auf, dass bei 7,5% aller Gäste ein Esslöffel herunterfällt, was das Essen durchschnittlich um acht Minuten verzögert. Dafür haben wir hier immer einen Löffel in der Brusttasche und habe die acht Minuten Zeit gewonnen, um uns die Gäste zu kümmern!" "Super", sagt der Gast, "Qualitätsmanagement ist doch klasse. Hier ist der Gast noch König. Ich komme wieder!!!"

Und nach einigen Wochen kommt er tatsächlich wieder, mit einer anderen Dame, der er natürlich den vorzüglichen Service demonstrieren will. Allerdings fällt kein Besteckteil runter und auch sonst läuft alles glatt (Qualitätsmanagement eben!). Diesmal ist es anderer Kellner, aber auch er hat noch Zeit für einen Plausch. Wo der Kellner so neben dem Tisch steht, sagt der Gast, "Ahem, entschuldigen Sie, ihnen hängt da ein Faden an der Hose". "Jaaaa," sagt der Kellner. "Wir haben Qualitätsmanagement eingeführt und im Rahmen der Prozessoptimierung festgestellt, dass jeder Kellner pro Abend mindestens achtzehn Minuten für die Händedesinfektion nach dem Toilettengang benötigt. Deshalb haben wir so ein Bändsel am (ahem) befestigt, können somit berührungsfrei (ahem) und sparen uns so die Händedesinfektion und somit achtzehn Minuten, in denen wir uns mit den Gästen unterhalten können."

"Super", sagt der Gast. "Qualitätsmanagement. Tolle Sache. Aber mal so unter Männern, wie kriegen Sie ihn hinterher berührungsfrei wieder zurück?"
"Ganz einfach, dafür haben wir hier immer einen Löffel in der Brusttasche..."


Samstag, 12. November 2016

Lean Management und die kontrollierte Kommunikation





Der erste Schritt ist getan. Die Entscheidung für die Einführung von Lean Management wurde getroffen, alle Vorbereitungsmaßnahmen sind eingeleitet. Jetzt ist es höchste Zeit, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um die gesamte Belegschaft mit ins Boot zu holen. Und dafür gibt es eine ganze Palette an geeigneten Hebeln. Die zur Verfügung stehenden Kommunikations-Instrumente müssen natürlich so eingesetzt werden, dass am Ende jeder einzelne Mitarbeiter die relevanten Informationen auch tatsächlich wahrnimmt. Alle sollten nicht  nur Bescheid wissen, sondern auch positiv gestimmt in Kenntnis gesetzt worden sein. Selbst wenn eine Information noch so prominent platziert wird, ist damit noch längst keine Garantie verbunden, dass wirklich jeder sie wahrgenommen hat. Für jede Kommunikation muss immer auch der effektivste Kanal gesucht und gefunden werden. Und wie so oft im Leben ist auch hier die Kontrolle besser als das blinde Vertrauen. Um sicherzustellen, dass die kommunizierten Informationen auch da angekommen sind, wo sie hin sollten, braucht es unbedingt einen Beauftragten, der sich für diese Aufgabe verantwortlich und zuständig fühlt. Der Kommunikationsbeauftragte eruiert, wie effektiv ein Kanal war und welche Reichweite dieser gezeigt hat. Eine weiterer wichtiger Fakt kristallisiert sich bei dieser Kommunikationskontrolle ebenfalls heraus: Wer fungiert als Bremser für das Lean Management Projekt und wer könnte sich eventuell sogar als hilfreicher Multiplikator erweisen?

Quantität und Qualität der Kommunikation
Beim Thema Kontrolle werden viele Menschen schnell hellhörig, beziehungsweise misstrauisch. Deshalb ist es äußerst wichtig, die Kommunikationskontrolle von Beginn an in einen entsprechend positiven Rahmen zu setzen. Vor der Quantität sollte unbedingt die Qualität der Kommunikation bewertet werden. Zu den reinen Wissensfragen, die den Informationsstand eines Mitarbeiters klären sollen, gesellen sich zu diesem Zweck idealerweise auch Bewertungsfragen, die beispielsweise mit Floskeln wie ‚Was halten Sie von‘ eingeleitet werden können. Aus den Antworten auf solche Bewertungsfragen lässt sich nicht nur ableiten, wie viel jemand über das Projekt bereits erfahren hat. Darüber hinaus zeigt sich hier auch die Einstellung zur wahrgenommenen Vorgehensweise und den Zielen des Lean Management. Je positiver die Informationsvermittlung a priori stattgefunden hat, desto leichter wird es in dieser Phase sein, den Mitarbeitern die Notwendigkeit der Kommunikationskontrolle nahezubringen.

Die Wahl der Waffen
Die zur Verfügung stehenden Kommunikationsinstrumente sind gut funktionierende Waffen im Kampf gegen Widerstände, die sich bezüglich des Lean Management Projektes formieren. Denn solche Widerstände basieren allzu häufig auf Desinformation. Diesem Phänomen beugt man am besten mit der gründlichen Auswahl der jeweils adäquaten Kommunikationsmethode vor. Ziel und Instrument müssen unbedingt immer sehr sorgfältig aufeinander abgestimmt werden. Eine vorher festgelegte Methode im Nachhinein mit passenden Inhalten zu füllen ist dabei der falsche Weg. Das mag auf Anhieb wie eine Selbstverständlichkeit klingen, in der Praxis ist diese Vorgehensweise aber leider keine Seltenheit. Zunächst muss also das Kommunikationsziel festgelegt werden, erst dann kann die Bestimmung des optimalen Instruments folgen, das geeignet ist, dieses Ziel zu erreichen. Um beispielsweise eine bestimmte Personengruppe lediglich über den Fortschritt des Projekts auf dem Laufenden zu halten, reichen einfache Mittel wie ein Newsletter völlig aus. Soll jedoch ein neuer Plan vorgestellt werden, sind komplexere Kommunikationsmethoden gefragt, die über eine reine Informationsvermittlung hinausgehen.

Veränderung nicht nur kommunizieren, sondern multiplizieren
Bei der Kommunikation von Veränderungen sollte man sich von Anfang an mögliche Multiplikatoren zunutze machen. Diese vermögen den Change-Prozess zu erleichtern und zu beschleunigen. Der multiplizierende Personenkreis kann intern rekrutiert werden, oder man greift auf externe Berater zurück. Beide Lösungen haben naturgemäß sowohl Vor- als auch Nachteile, die Entscheidung muss letztlich aufgrund von spezifischen Gegebenheiten im Unternehmen und den vorhandenen finanziellen Möglichkeiten getroffen werden. Externe Multiplikatoren kosten Geld, bringen dafür aber auch die nötige Expertise für den Job mit und müssen nicht extra geschult werden. Aus der Fachkompetenz solcher Experten kann eine größere Autorität gegenüber der Belegschaft resultieren. Interne Multiplikatoren erzielen hingegen meist eine höhere Glaubwürdigkeit in der Praxis und werden bodenständiger wahrgenommen. Bei einem internen Multiplikatoren-Team muss nicht nur eine intensive Ausbildung, sondern auch eine adäquate Freistellung am Anfang der Tätigkeit stehen. Die als Multiplikatoren rekrutierten Mitarbeiter sollten zunächst von der Bedeutung ihrer künftigen Aufgabe überzeugt werden, Art und Umfang der Freistellung müssen deshalb in eine positive Relation zur neuen Tätigkeit gesetzt werden, damit eine hohe Motivation entstehen kann.

Die Begeisterung für das Projekt an sich und die eigene Beteiligung daran sind für den unbedingten Erfolgswillen jedes einzelnen Multiplikators unerlässlich. Eine Betreuung über den gesamten Verlauf des Projekts hinweg muss zudem gewährleistet sein, damit im Nachhinein keine Unsicherheiten entstehen können. Auch der weitere Karriereweg danach sollte klar aufgezeichnet werden, hieraus dürfen keinesfalls Unsicherheiten entstehen. Falsche Versprechungen wären zur Motivation völlig fehl am Platze, Respekt und Ehrlichkeit müssen viel mehr bei der Kommunikation der Perspektiven vorherrschen, weil sie dazu dienen, Vertrauen zu schaffen. Wenn der Multiplikator seine neue Rolle antritt, müssen alle Vorbehalte und Ängste ausgeräumt sein, die daraus resultierenden Chancen sollten in den Vordergrund gerückt sein. Der Mitarbeiter muss sich außerdem der Unterstützung seines Umfelds sicher sein können. Nur dann hat er die Möglichkeit, seine herausfordernde Aufgabe bestmöglich zu erfüllen. Das sichere Gefühl der unbedingten Rückendeckung ist für die internen Multiplikatoren von kardinaler Wichtigkeit. Wer sich auf unsicheres Terrain vorgeschickt wähnt, wird kaum mit Euphorie ans Werk gehen. Der Erfolg der Multiplikatoren steht und fällt also mit einer effizienten Kommunikation im Vorfeld. Denn gerade die besten Mitarbeiter in einem Unternehmen haben vor dem Antritt ihrer Rolle als Multiplikator schon genug Wichtiges zu tun. Keiner wartet darauf, plötzlich alles stehen und liegen zu lassen, um für eine solche Aufgabe rekrutiert zu werden. Angesichts einer derart ungewohnten Situation entsteht Motivation für das Neue nicht von selbst, sondern muss durch Begeisterung für die Sache erzeugt werden.

Kommunikation und Kontinuität
Ist die Kommunikation im Vorfeld optimal gelaufen und sind die Multiplikatoren effektiv geschult worden, steht ihrem Erfolg also nichts mehr im Wege. Die entscheidenden Hürden sind genommen und die erste Multiplikatoren-Generation ist in ihre neuen Aufgaben hineingewachsen. Die Nachrücker sollten später per se also weniger Bedenken und Ängste haben, wenn sie für ganz neue Einsätze herangezogen werden. Im Verlaufe des Projektes können sich immer wieder andere Aufgaben für erst später ausgebildete Multiplikatoren eröffnen. Diese sehen sich dann abweichenden Herausforderungen gegenüber, sind nicht mehr so stark in einen Gruppenzusammenhalt eingebunden, weil die neuen Tätigkeiten sich viel breiter gestreut gestalten. Die Schulung und Betreuung der nachfolgenden Multiplikatoren müssen sich deshalb wesentlich spezifischer gestalten als bei der ersten Gruppe. Die Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeiter mit ihren divergierenden Aufgaben müssen stärker berücksichtigt werden, damit die Motivation aller auch in einem späteren Projektfortschritt noch so hoch wie möglich gehalten werden kann. Um Überforderung vorzubeugen, können für die Ausbildung höhere Investitionen nötig sein, damit sich das Niveau auf einer Ebene hält.

Lean Management als gemeinsame Vision




Der Arbeitgeber für alle und alle für die Firma

Lean Management kann nur nach dem Musketier-Prinzip funktionieren. Wenn nicht alle Mitarbeiter mitgenommen werden und hinter dem Ziel Erfolgsoptimierung stehen, ist das Ganze von vorne herein zum Scheitern verurteilt. Ohne eine gemeinsame Vision, die sowohl von den einzelnen Teamleitern als auch von der gesamten Belegschaft verinnerlicht und mit Begeisterung verfolgt wird, finden die unweigerlich auftretenden Störfaktoren immer wieder Einstiegspforten, um das Projekt torpedieren zu können. Wenn alle zusammen halten und in dieselbe Richtung marschieren, kann nichts und niemand sie aufhalten. Das gemeinsame Ziel, die Produktionskosten zu senken und Durchlaufzeiten zu minimieren, wird dann greifbar.

Lean Management als Unternehmensphilosophie
Jeder Einzelne auf dem gemeinsamen Marsch muss die Grundidee der Prozessoptimierung verstanden und sich damit identifiziert haben. Sonst könnte das Projekt auf halber Strecke scheitern. Denn Veränderungen machen den Menschen naturgemäß Angst. Deshalb funktioniert auch die Hälfte der anvisierten Change-Management-Prozesse im deutschsprachigen Raum nicht, wie die Change Management Studie 2008 von Capgemini Consulting zutage brachte. Das einzige Mittel gegen Angst vor nicht abschätzbaren Veränderungen ist die Kommunikation, sie wirkt wie ein Katalysator. Wenn die verantwortlichen Führungskräfte sie denn gekonnt einsetzen. Leider überschätzen sich die meisten Chefs auf diesem Gebiet aber maßlos, auch deshalb ist ein externer Lean Management Experte, der den Prozess kommunikativ und organisatorisch begleitet, von unschätzbarem Wert. Dieser kann nicht nur die Einführung und die Information der Mitarbeiter überwachen, sondern auch die Kontinuität der Maßnahmen und kommunikativen Aufgaben gewährleisten. Dieses Projekt ist nämlich keineswegs zeitlich begrenzt, sondern muss als Vision dauerhaft in die Hirne eingepflanzt werden, vom obersten Boss bis hin zum Hilfsarbeiter. Damit daraus eine Unternehmensphilosophie entstehen kann, die den Umgang mit den Regeln des Lean Management wie ein selbstverständliches Naturgesetz erscheinen lässt. So können alle auf Dauer von der Veränderung profitieren, die am Anfang noch so schwer gefallen ist. Mit diesem Ziel vor Augen vielleicht ein bisschen weniger schwer. Denn die Elemente des Lean Management sind sachlich leicht zu verstehen und ihr Sinn leuchtet auf Anhieb ein. Es geht um die Orientierung auf den Kunden und die Vermeidung von Verschwendung. Fehler sollen ausgeräumt und Prozesse synchronisiert werden. Weitere Ziele sind die Nivellierung der Produktion und die Standardisierung ihrer Prozesse. Es wird angestrebt, Anlagen zu optimieren und die Mitarbeiterkompetenz zu steigern. Insgesamt sollen die gesamten Abläufe im Betrieb kontinuierlich verbessert werden. Alles Dinge, die mit dem gesunden Menschenverstand leicht begreifbar sind, aber natürlich auch praktisch umgesetzt werden müssen. Dafür muss unmittelbar beim Mindset angesetzt werden, damit flexiblere Verhaltensweisen etabliert werden können.

Die Kontinuität wahren
Kontinuität zu erreichen ist keine reine Sachaufgabe. Hier gehört allzu Menschliches zur Herausforderung. Diese Herausforderung ist nur mit adäquater Kommunikation zu bewältigen, vor allem bei der Übermittlung negativer Wahrheiten. Ohne offene Kommunikationskultur, die mit dem Lean Management auf immer ins Unternehmen einzieht, werden die menschlich nachvollziehbaren Ängste der Mitarbeiter nicht besiegt. Denn wie der Rhetoriker weiß, zählt nicht nur das, was gesagt wird, sondern vor allem auch die Art und Weise, wie es gesagt wird. Die emotionale Ebene spielt beim Thema Veränderung eine kardinale Rolle. Sie stellt einerseits die größte Gefahr für das Projekt dar, man kann sie  aber andererseits auch als Chance nutzen. Denn Kommunikation kann so viel mehr sein als reine Information. Beschwichtigung ruft in der Regel eher Unsicherheit hervor, als dass sie die Mitarbeiter beruhigt. Klare Wahrheiten tun da wesentlich bessere Dienste, weil sie Vertrauen schaffen. Das Projekt immer wieder auch aus der Perspektive der Mitarbeiter zu betrachten hilft, die emotionale Dynamik des Change-Prozesses zu verstehen. So entsteht Nachhaltigkeit, die Lean in einen selbstverständlichen Bestandteil der Arbeit transformieren kann.

Beispiel Verschwendung
Eines der elementarsten Ziele von Lean Management ist die Eliminierung von Verschwendung. An diesem Beispiel wird besonders deutlich, wie viel eine kontinuierliche Umsetzung auf Dauer bringen kann. Denn es leuchtet jedem Mitarbeiter ein, dass Überproduktion oder Fehlproduktion unnötige Kosten verursachen. Auch die Zeitverschwendung in all ihren Ausprägungen ist ein negativer Kostenfaktor, wie jeder weiß. Zu lange Wege verursachen ebenfalls Kosten, die eigentlich vermeidbar wären. Unangemessene Mittel oder Verfahren hat bestimmt schon jeder Mitarbeiter mit ihren negativen Ergebnissen erlebt. Die Tatsache, dass schlechte Lagerplanung zu Mehrkosten führt, ist jedermann einsichtig. Darüber hinaus sind die optimale Einrichtung des Arbeitsplatzes und die Vermeidung von Ausschuss dazu angetan, Verschwendung zu verhindern. Werden all diese anschaulichen Beispiele so umorganisiert, dass auf Dauer wertgeschöpft anstatt verschwendet wird, können enorme Kosten eingespart und dem Unternehmen zu  mehr Gewinn verholfen werden. Solch einfache Zusammenhänge müssen entsprechend kommuniziert werden, damit die Mitarbeiter durch höhere Motivation davon profitieren können.

Haben es wirklich alle verstanden?
Diese Frage muss immer wieder gestellt werden. Ist die Vision tatsächlich in den Köpfen angekommen? Nur weil das Projekt kommuniziert wurde, müssen es nicht alle verstanden haben, wurden nicht automatisch alle vom Sinn des Prozesses überzeugt. Die von Anfang an Begeisterten machen nämlich in der Regel nur einen kleinen Teil der Belegschaft aus. Das Gros der Mitarbeiter reiht sich erfahrungsgemäß zunächst in die Fraktion der Skeptiker ein. Bei jedem Veränderungsprozess gibt es aber auch eine gewisse Anzahl von Totalverweigerern. Die konstruktive und eingehende Auseinandersetzung mit den beiden letztgenannten Gruppen birgt erfolgversprechende Chancen. Der dafür aufgebrachte Mehraufwand macht sich durch motivierte Mitarbeiter bezahlt. Denn erst wenn alle Musketiere die zu erwartenden Vorteile der Veränderung annehmen, werden auch alle gemeinsam für die gleiche Vision kämpfen. Jeder Mitarbeiter hat bereits Erfahrungen mit gescheiterten oder im Sande verlaufenden Projekten gemacht. Nur wer jetzt wirklich an das Lean Projekt glaubt, wird auch begeistert mitziehen. Dafür lohnt es sich, alle Energien zu mobilisieren, um jedem Einzelnen die Vision verständlich zu machen, damit er seine Akzeptanzschwelle überwinden und seine Denkweise bereitwillig ändern kann.

Besteht das Change Management den Praxistest?
Die Vorstellung einer ganzen Belegschaft an Musketieren, die begeistert füreinander und die Firma einstehen, klingt gut. Zunächst einmal ist das jedoch reine Theorie. Mit einer guten Theorie im Gepäck ist der Weg zum gezielten Handeln aber meist gar nicht mehr weit. Denn nichts ist ja so praktisch wie eine gute Theorie. Die Umsetzung in die Praxis fängt bestenfalls mit der theoretischen Begeisterung an, die von oben vorgelebt wird. Der Lean Manager hat nicht nur die Aufgabe, eine Methodik in die Tat umzusetzen, er muss auch bei den Beteiligten für sein Projekt werben. Nicht anders, als wenn er ein Produkt verkaufen wollte. Er muss Marketing für das Projekt und die damit verbundene Vision betreiben. Mit aller Emotionalität, die Werbung erfolgreich macht. Die Aufladung mit positiven Emotionen hat sich nicht nur in der Produktwerbung bewährt, sondern auch in der Durchsetzung von Lean Management. Die Emotionen kanalisieren die Idee in die Köpfe und Herzen der Beteiligten, sie wird so zum ganzheitlichen Ansatz. Betriebswirtschaftliche Methodik ist eben nicht alles, wenn es um die Menschen geht, ohne deren Mitwirkung ein Change Management Projekt nicht zum Erfolg geführt werden kann.


Mittwoch, 12. Oktober 2016

Von nichtssagenden Kommunikationstrainern auf Beutefeldzug







Wenn jemand von Kommunikation etwas versteht, dann sind das die Kommunikationstrainer. Sie sind – so sollte man meinen – wahre Künstler in Gesprächstechniken und verstehen es, Klarheit in das milchige Feld des Miteinanderredens zu bringen. Nicht alle von ihnen können aber lesen. Dieser Eindruck muss zumindest entstehen, wenn man die Akquisetätigkeiten verfolgt.

Schreibt man einen Artikel zum Thema Kommunikation, dann stößt der schnell auf Interesse. Allerdings auch bei den Falschen. Im verlinkten Artikel ging es um die interne Kommunikation bei IKEA. Es ging darum, wie diese international funktioniert und wie sie in Deutschland aufgebaut ist. Und es ging – das ist wichtig - in erster Linie darum, dass IKEA auf dem Gebiet Kommunikation einen erstklassigen Job macht. So gesehen sicher kein Grund für eine ganze Reihe Kommunikationstrainern, sich mit wohlmeinenden Geschäftsangeboten an IKEA Deutschland zu wenden.
Es stellt sich also die Frage: Warum konnte sich das Management von IKEA nach einem Artikel vor sinnlosen Anfragen kaum retten?

Am Anfang war das Wort …
gleich danach kam das Missverständnis. So sagt man oft. Das kann passieren, ist nicht weiter dramatisch. Wirklich unangenehm wird es aber, wenn Missverständnisse entstehen, deren Grundlage Ignoranz ist. Denn diese Missverständnisse sind unnötig, überflüssig, ärgerlich. Insbesondere wenn sie von Kommunikationstrainern kommen, denen man ja eigentlich zutrauen sollte, „geradeaus“ zu denken und zu lesen. Die jüngste Erfahrung zeigt, dass das vielfach nicht der Fall ist. 

Können wir uns irgendwie helfen?
Können wir Ihnen irgendwie helfen?“ Diese Frage ist durchaus berechtigt, wenn man als Dienstleister einen Bedarf bei einem Unternehmen bzw. potenziellen Kunden erkennt. Der hier beschriebene Fall geifernder Kommunikationstrainer, die nach der (eklatant oberflächlichen) Lektüre eines Artikels über interne Kommunikation mit ihren wundersamen Versprechungen von spürbaren Verbesserungen um die Ecke kommen, lässt allerdings nur einen Schluss zu: Wer nicht lesen kann, ist klar im Nachteil und oft nur darauf aus, sich selbst zu helfen, indem er es laut in der Kasse klingeln lässt. 

Komplett am Bedarf vorbei
Aus dem oben verlinkten Artikel über die interne Kommunikation bei IKEA lässt sich ohne Superkräfte herauslesen, dass er in erster Linie ein Loblied auf das Möbelhaus ist. Umso unverständlicher sind die Reaktionen zahlreicher Kommunikationstrainer, die einen Bedarf erkannten, der faktisch nicht vorhanden ist. Nach der Veröffentlichung des Artikels waren haufenweise Kommunikationstrainer zur Stelle, um IKEA „beizubringen“, wie man „richtig“ kommuniziert. Alle meinten es gut, alle hatten nur das Wohl des schwedischen Möbelhauses im Sinn.
Oder vielleicht doch nicht?

Überschriftenleser haben ein Problem: das, was unter der Headline steht
Sind Sie in den sozialen Medien zu Hause? Wenn ja, kennen Sie sicherlich eine ganz spezielle Gruppe von Usern: Headline-Leser. Die zeichnen sich durch eine ganz besondere Eigenschaft aus. Sie überfliegen eine Überschrift und machen sich nicht die Mühe, den Artikel, der dazu gehört, zu lesen. Stattdessen machen sie sich aufgrund dieser einzigen Überschrift ein Bild. Allein das ist schon tragisch, denn es liegt in der Natur der Sache, dass ein differenziertes Bild nur erstellt werden kann, wenn man differenziert nach Hintergründen sucht. Headline-Leser haben für derlei „Kleinigkeiten“ keine Zeit. Sie müssen posten, kommentieren, teilen und werten.
Sei‘s drum, Headline-Leser sind wirklich ein Ärgernis, weil sie regelmäßig Sachverhalte falsch wiedergeben, was kaum verwundern kann, da sie diese ja gar nicht kennen. Trotzdem sind sie alles in allem eher bedeutungslos, denn man erkennt sie schnell und merkt, dass sie außer Worthülsen nicht viel zu bieten haben. 

Wenn Kommunikationstrainer allerdings Überschriftenleser sind, die spätestens am Ende des Teasers mit dem Lesen aufhören, wird es knifflig. Und ärgerlich. Der Artikel, um den es geht, trug ursprünglich die Headline „Interne Kommunikation bei IKEA: Läuft überall, nur in Deutschland nicht“. Betrachtet man diese isoliert, kann man tatsächlich zum Schluss kommen, IKEA Deutschland hätte ein massives Problem mit der Kommunikation. Da wir schnell bemerkten, dass zahlreiche Nicht-Leser ihre sehr eigenwilligen Herleitungen über den Inhalt des Textes „kreierten“, ändert wir die Überschrit um. Nun heißt es: „Interne Kommunikation bei IKEA: Perfektion mit kleinen Schwächen“. Auch den Teaser haben wir ein wenig angepasst, um selbst den härtesten Leserverweigerern die Möglichkeit einzuräumen, sich wenigstens ein grobes Bild zu verschaffen. Doch es half alles nichts, IKEA wurde weiterhin von vermeintlich professionellen Angeboten überhäuft, die vor allem eines gemeinsam hatten: überflüssig zu sein. 

Ein Rentier, das nicht rennt, rentiert sich nicht - ein Kommunikationstrainer, der nicht liest, benimmt sich nicht
Hier und jetzt geht es nicht um Verständnis. Es geht nicht um Empathie und nicht um Geduld, schon gar nicht um Pädagogik. Hier und jetzt geht es um unprofessionelles Verhalten von Dienstleistern, die es eigentlich besser wissen sollten. Wenn einem Kommunikationstrainer nicht klar ist, dass er einen Artikel, auf dessen Grundlage er Unternehmen mit sinnfreien Angeboten bombardiert, zunächst einmal genau lesen (und verstehen!) muss, dann hat er seinen Job verfehlt. Dummerweise schadet das einer ganzen Branche, in der viele Dienstleister unterwegs, die einen wirklich guten Job machen. Die werden es womöglich in der einen oder anderen kommenden Situation zu spüren bekommen, dass Headline-Leser ihnen das Geschäft erschweren.
Zurück zum Artikel. Dieser hebt das besondere Sicherheitsbedürfnis der Deutschen hervor, das es IKEA schwermacht, in Deutschland so zu agieren wie in anderen Ländern. Das hat – man muss es wohl leider hier noch mal explizit erwähnen – nichts mit Kommunikationsfehlern bei IKEA zu tun. Es hat damit zu tun, dass die Deutschen gegenüber allen Aktivitäten, die ihre Daten „abgreifen“ könnten, ein Problem haben. Das alleine könnte man sogar nachvollziehen, wäre da nicht das allgemeine Verhalten der Deutschen im Netz. Da werden auf Facebook selbst intimste Details preisgegeben, im Online-Banking Geburtstage als Passwörter gewählt (sicher geht anders!), da wird fleißig bei Amazon bestellt und bei Google-Suchen nicht einmal die kleine Funktion des Ausloggens gewählt. 

Kurzum, die Deutschen liefern wahrscheinlich mehr Daten an Internetanbieter als Bevölkerungen anderer Länder (wobei das nicht gesichert, sondern eine Vermutung ist). Der sehnliche Wunsch nach Sicherheit in der internen Unternehmenskommunikation von IKEA ist daher eigentlich kaum ernstzunehmen. Wer mit seinen persönlichen Daten global um sich wirft wie mit Bonbons beim Fasching, der ist nicht glaubwürdig, wenn er den privaten Sicherheitsbeauftragten zur Schau trägt.
Abschließend lässt sich festhalten, dass IKEA ganz sicher keine Wald-und-Wiesen-Kommunikationstrainer braucht, denn das Kommunikationssystem ist eine Innovation, die auch ohne fremde Hilfe durch Headline-Leser optimiert werden kann und optimiert wird. 

Sinnvoller wären vielleicht Angebote von Psychologen, Gesprächstherapeuten und Psychoanalytikern für Großteile der deutschen Bevölkerung. Vielleicht könnten die ja herausfinden, wie man mit einem Volk voller „Daten-Paranoiker“ zu einer der größten Volkswirtschaften der Welt werden konnte.
Und noch eine Bitte an die Kommunikationstrainer: Bitte halten Sie sich in diesem Zusammenhang mit Angeboten zurück. Sie könnten verheerende Auswirkungen auf die Psyche der Angesprochenen haben.


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