Wenn
jemand von Kommunikation etwas versteht, dann sind das die
Kommunikationstrainer. Sie sind – so sollte man meinen – wahre Künstler in
Gesprächstechniken und verstehen es, Klarheit in das milchige Feld des
Miteinanderredens zu bringen. Nicht alle von ihnen können aber lesen. Dieser
Eindruck muss zumindest entstehen, wenn man die Akquisetätigkeiten verfolgt.
Schreibt
man einen Artikel zum Thema
Kommunikation, dann stößt der schnell auf Interesse. Allerdings auch bei den
Falschen. Im verlinkten Artikel ging es um die interne Kommunikation bei
IKEA. Es ging darum, wie diese international funktioniert und wie sie
in Deutschland aufgebaut ist. Und es ging – das ist wichtig - in erster Linie
darum, dass IKEA auf dem Gebiet Kommunikation einen erstklassigen Job macht. So
gesehen sicher kein Grund für eine ganze Reihe Kommunikationstrainern, sich mit
wohlmeinenden Geschäftsangeboten an IKEA Deutschland zu wenden.
Es stellt
sich also die Frage: Warum konnte sich das Management von IKEA nach einem
Artikel vor sinnlosen Anfragen kaum retten?
Am Anfang
war das Wort …
… gleich danach kam das Missverständnis. So sagt man oft. Das kann
passieren, ist nicht weiter dramatisch. Wirklich unangenehm wird es aber, wenn
Missverständnisse entstehen, deren Grundlage Ignoranz ist. Denn diese
Missverständnisse sind unnötig, überflüssig, ärgerlich. Insbesondere wenn sie
von Kommunikationstrainern kommen, denen man ja eigentlich zutrauen sollte,
„geradeaus“ zu denken und zu lesen. Die jüngste Erfahrung zeigt, dass das
vielfach nicht der Fall ist.
Können
wir uns irgendwie helfen?
„Können wir Ihnen irgendwie helfen?“ Diese Frage ist durchaus
berechtigt, wenn man als Dienstleister einen Bedarf bei einem Unternehmen bzw.
potenziellen Kunden erkennt. Der hier beschriebene Fall geifernder
Kommunikationstrainer, die nach der (eklatant oberflächlichen) Lektüre eines
Artikels über interne Kommunikation mit ihren wundersamen Versprechungen von
spürbaren Verbesserungen um die Ecke kommen, lässt allerdings nur einen Schluss
zu: Wer nicht lesen kann, ist klar im Nachteil und oft nur darauf aus, sich
selbst zu helfen, indem er es laut in der Kasse klingeln lässt.
Komplett
am Bedarf vorbei
Aus dem
oben verlinkten Artikel über die interne Kommunikation bei IKEA lässt sich ohne
Superkräfte herauslesen, dass er in erster Linie ein Loblied auf das Möbelhaus
ist. Umso unverständlicher sind die Reaktionen zahlreicher
Kommunikationstrainer, die einen Bedarf erkannten, der faktisch nicht vorhanden
ist. Nach der Veröffentlichung des Artikels waren haufenweise
Kommunikationstrainer zur Stelle, um IKEA „beizubringen“, wie man „richtig“
kommuniziert. Alle meinten es gut, alle hatten nur das Wohl des schwedischen
Möbelhauses im Sinn.
Oder
vielleicht doch nicht?
Überschriftenleser
haben ein Problem: das, was unter der Headline steht
Sind Sie
in den sozialen Medien zu Hause? Wenn ja, kennen Sie sicherlich eine ganz
spezielle Gruppe von Usern: Headline-Leser. Die zeichnen sich durch eine ganz
besondere Eigenschaft aus. Sie überfliegen eine Überschrift und machen sich
nicht die Mühe, den Artikel, der dazu gehört, zu lesen. Stattdessen machen sie
sich aufgrund dieser einzigen Überschrift ein Bild. Allein das ist schon
tragisch, denn es liegt in der Natur der Sache, dass ein differenziertes Bild
nur erstellt werden kann, wenn man differenziert nach Hintergründen sucht.
Headline-Leser haben für derlei „Kleinigkeiten“ keine Zeit. Sie müssen posten,
kommentieren, teilen und werten.
Sei‘s
drum, Headline-Leser sind wirklich ein Ärgernis, weil sie regelmäßig
Sachverhalte falsch wiedergeben, was kaum verwundern kann, da sie diese ja gar
nicht kennen. Trotzdem sind sie alles in allem eher bedeutungslos, denn man
erkennt sie schnell und merkt, dass sie außer Worthülsen nicht viel zu bieten
haben.
Wenn
Kommunikationstrainer allerdings Überschriftenleser sind, die spätestens am
Ende des Teasers mit dem Lesen aufhören, wird es knifflig. Und ärgerlich. Der
Artikel, um den es geht, trug ursprünglich die Headline „Interne Kommunikation
bei IKEA: Läuft überall, nur in Deutschland nicht“. Betrachtet man diese
isoliert, kann man tatsächlich zum Schluss kommen, IKEA Deutschland hätte ein
massives Problem mit der Kommunikation. Da wir schnell bemerkten, dass
zahlreiche Nicht-Leser ihre sehr eigenwilligen Herleitungen über den Inhalt des
Textes „kreierten“, ändert wir die Überschrit um. Nun heißt es: „Interne
Kommunikation bei IKEA: Perfektion mit kleinen Schwächen“. Auch den Teaser
haben wir ein wenig angepasst, um selbst den härtesten Leserverweigerern die
Möglichkeit einzuräumen, sich wenigstens ein grobes Bild zu verschaffen. Doch
es half alles nichts, IKEA wurde weiterhin von vermeintlich professionellen
Angeboten überhäuft, die vor allem eines gemeinsam hatten: überflüssig zu sein.
Ein
Rentier, das nicht rennt, rentiert sich nicht - ein Kommunikationstrainer, der
nicht liest, benimmt sich nicht
Hier und
jetzt geht es nicht um Verständnis. Es geht nicht um Empathie und nicht um
Geduld, schon gar nicht um Pädagogik. Hier und jetzt geht es um unprofessionelles
Verhalten von Dienstleistern, die es eigentlich besser wissen sollten. Wenn
einem Kommunikationstrainer nicht klar ist, dass er einen Artikel, auf dessen
Grundlage er Unternehmen mit sinnfreien Angeboten bombardiert, zunächst einmal
genau lesen (und verstehen!) muss, dann hat er seinen Job verfehlt. Dummerweise
schadet das einer ganzen Branche, in der viele Dienstleister unterwegs, die
einen wirklich guten Job machen. Die werden es womöglich in der einen oder
anderen kommenden Situation zu spüren bekommen, dass Headline-Leser ihnen das
Geschäft erschweren.
Zurück
zum Artikel. Dieser hebt das besondere Sicherheitsbedürfnis der Deutschen
hervor, das es IKEA schwermacht, in Deutschland so zu agieren wie in anderen
Ländern. Das hat – man muss es wohl leider hier noch mal explizit erwähnen –
nichts mit Kommunikationsfehlern bei IKEA zu tun. Es hat damit zu tun, dass die
Deutschen gegenüber allen Aktivitäten, die ihre Daten „abgreifen“ könnten, ein
Problem haben. Das alleine könnte man sogar nachvollziehen, wäre da nicht das
allgemeine Verhalten der Deutschen im Netz. Da werden auf Facebook selbst
intimste Details preisgegeben, im Online-Banking Geburtstage als Passwörter
gewählt (sicher geht anders!), da wird fleißig bei Amazon bestellt und bei Google-Suchen
nicht einmal die kleine Funktion des Ausloggens gewählt.
Kurzum,
die Deutschen liefern wahrscheinlich mehr Daten an Internetanbieter als
Bevölkerungen anderer Länder (wobei das nicht gesichert, sondern eine Vermutung
ist). Der sehnliche Wunsch nach Sicherheit in der internen
Unternehmenskommunikation von IKEA ist daher eigentlich kaum ernstzunehmen. Wer
mit seinen persönlichen Daten global um sich wirft wie mit Bonbons beim
Fasching, der ist nicht glaubwürdig, wenn er den privaten Sicherheitsbeauftragten
zur Schau trägt.
Abschließend
lässt sich festhalten, dass IKEA ganz sicher keine
Wald-und-Wiesen-Kommunikationstrainer braucht, denn das Kommunikationssystem
ist eine Innovation, die auch ohne fremde Hilfe durch Headline-Leser optimiert
werden kann und optimiert wird.
Sinnvoller
wären vielleicht Angebote von Psychologen, Gesprächstherapeuten und
Psychoanalytikern für Großteile der deutschen Bevölkerung. Vielleicht könnten
die ja herausfinden, wie man mit einem Volk voller „Daten-Paranoiker“ zu einer
der größten Volkswirtschaften der Welt werden konnte.
Und noch
eine Bitte an die Kommunikationstrainer: Bitte halten Sie sich in diesem Zusammenhang
mit Angeboten zurück. Sie könnten verheerende Auswirkungen auf die Psyche der
Angesprochenen haben.