Donnerstag, 30. August 2018

Der digitale Wandel ist ein Kulturwandel



Der digitale Wandel ist ja heutzutage in aller Munde. Leider folgt daraus nicht zwangsläufig, dass er auch von Mund zu Mund kommuniziert wird. Denn dafür bräuchte es eine offene Kommunikationskultur in den Unternehmen. Und die hat sich in der deutschen Wirtschaftslandschaft noch genauso wenig etabliert wie die digitale Evolution. Bevor die Transformation gelingen kann, muss also ein Kulturwandel her.

Kultur als Hindernis oder Erfolgsgarant
Zumindest haben die Deutschen das Problem schon mal erkannt. Denn in der weltweiten Studie ‚The Digital Culture Challenge: Closing The Employee-Leadership Gap‘ der Unternehmensberatung Capgemini gaben in Deutschland immerhin 72 Prozent der Befragten die Unternehmenskultur als größte Hürde für den digitalen Wandel an. Brian Solis bringt es als Co-Autor der Studie auf den Punkt: „Kultur ist entweder das größte Hindernis oder aber der stärkste Beschleuniger digitaler Transformation wie auch Innovation.“ Es habe sich gezeigt, dass viele Manager ihre Unternehmenskultur bereits für digital halten, während die Mitarbeiter davon bisher noch nichts bemerkt haben. Diese auseinanderdriftende Wahrnehmung offenbart das Kommunikationsproblem: Die Kluft zwischen oben und unten ist eine der größten Hindernisse des digitalen Wandels. Denn dabei geht es um viel mehr als nur die Integration moderner Technologien. Haben die deutschen Unternehmer das verstanden? Leider scheint diese Tatsache noch schwerer zu begreifen zu sein als die komplizierten Technologien selbst.

Wer ist zuständig?
Bisher wurde die digitale Transformation meist von ganz oben herab betrieben. Als eine der wichtigsten Herausforderungen unserer modernen Zeit erkannt, wurde die Digitalisierung kurzerhand zur Chefsache erklärt. Leider waren viele Chefs mit dieser Aufgabe aber heillos überfordert. Kein Wunder, dass es mit der Kommunikation von oben nach unten dann auch nicht klappte. Zum Glück ist in dieser Hinsicht bereits ein Wandel zu verzeichnen. Laut der aktuellen Studie ‚Digital Value 2018‘ der Managementberatung Horvath & Partners sind derzeit nur noch 8 Prozent aller CEOs federführend in Sachen Umsetzung der Digitalisierungsstrategie tätig. Diese heikle Aufgabe wurde eine Etage nach unten weitergereicht und obliegt nun meist funktionalen Führungskräften. Aber kommunizieren diese denn nun besser als die oberste Chefetage? Leider nein. Die Wahrnehmung der leitenden Verantwortlichen und der ausführenden Mitarbeiter klafft nämlich immer noch deutlich auseinander. Fragt man die Einen oder die Anderen nach einer bestehenden digitalen Unternehmenskultur fallen die Antworten sehr unterschiedlich aus.

Sind wir schon digital?
Genau diese Frage hat Capgemini in der Studie ‚Digital Culture Change‘ gestellt. Weltweit erleben 40 Prozent der Top-Manager ihre Unternehmenskultur bereits digital, bei den übrigen Mitarbeitern empfinden aber nur 27 Prozent so. Und in Deutschland fällt die Diskrepanz peinlicherweise sogar noch größer aus. Die Verantwortlichen sind also offensichtlich immer noch nicht in der Lage, ihre Belegschaft auf dem Weg in die digitale Zukunft mitzunehmen. Anscheinend hat sich unter ihnen bisher nicht herumgesprochen, dass eine Unternehmenskultur ohne Einbindung der Mitarbeiter gar nicht existieren kann. Apropos herumsprechen: Genau daran mangelt es in vielen Unternehmen. Weniger bei Gerüchten über private Techtelmechtel als bei den Aspekten des digitalen Kulturwandels. Wenn dieser Kulturwandel tatsächlich stattfinden soll, müssen die Verantwortlichen im gesamten Humanpool für einschlägige Information sorgen. Am besten mittels Kommunikation auf Augenhöhe.

Was gehört alles zur digitalen Kultur?
Auch diese Frage wollte die Capgemini-Studie beantworten. Dafür wurden sieben Aspekte beschrieben, die für den digitalen Kulturwandel eine kardinale Rolle spielen:

·         Kundenzentriertheit
·         Innovation
·         Kollaboration, Art der Zusammenarbeit
·         Offene und transparente Kultur
·         Digital-First Mindset
·         Agilität und Flexibilität
·         Datengetriebener Ansatz, auf dessen Basis Entscheidungen getroffen werden

Claudia Crummenerl, Expertin für Executive Leadership & Change zieht folgenden Schluss aus der Studie: "Offensichtlich sind Unternehmen nicht in der Lage, ihre Mitarbeiter an der kulturellen Weiterentwicklung zu beteiligen." Sie plädiert dafür, dass die Führungskräfte sämtlicher Ebenen aus der digitalen Vision ihres Unternehmens greifbare Ergebnisse ableiten und förderliches Verhalten auch honorieren müssten. Das funktioniert aber natürlich nur, wenn zumindest diese sieben Aspekte in den Köpfen der Mitarbeiter verankert werden. Aller Mitarbeiter. Nur so kann man digitale Kultur etablieren. Es reicht nicht, wenn der Chef und die verantwortliche Führungskraft alleine die Thematik verinnerlichen. Wie war das noch mit dem Fisch und seinem Kopf?

Ist der digitale Kulturwandel ein Flop?
Die genannten Studien lassen das befürchten. Zumindest vollzieht sich der Wandel bestenfalls im Schneckentempo. Aber warum bleiben die deutschen Unternehmen unter ihren Möglichkeiten? Auch darüber gibt die Capgemini-Studie Auskunft.

·         Mangelnde Innovation
In allzu vielen Organisationen ist Innovation noch immer nicht zur selbstverständlichen Realität geworden.
·         Unterschiedliche Wahrnehmung
Mitarbeiter und Führungsebene nehmen die Zusammenarbeit im Unternehmen unterschiedlich wahr. Die Diskrepanz ist mitunter enorm.
·         Fehlende digitale Vision
Viele Führungskräfte sind nicht in der Lage, eine klare digitale Vision zu entwickeln, geschweige denn diese an die Mitarbeiter weiter zu vermitteln.
·         Führungskräfte ohne Vorbildfunktion
Viele Führungskräfte hinterlassen bei ihren Mitarbeitern nicht den Eindruck, dass sie ihren Job gemacht haben.
·         Mangelnde Information
Unternehmen verpassen die Chance, an ihre Mitarbeiter zu kommunizieren, was im Zusammenhang mit der digitalen Transformation getan wird. Das könnte die digitale Kultur maßgeblich vorantreiben.
·         Fehlende ‚Kulturbeauftragte‘
Die Unternehmen versäumen es, entsprechend geschulte Mitarbeiter zur Förderung der Kultur einzusetzen.
·         Fehlende Kennzahlen
Die Ziele der digitalen Transformation werden nicht ausreichend klar gesetzt.
·         Mangel an Vertrauen
Mitarbeiter trauen ihren Führungskräften nicht zu, dass sie die digitale Transformation wirklich vorantreiben.

Der letzte Punkt ist vielleicht der alles entscheidende Knackpunkt. Zumindest ist Vertrauen in die Führung eine der wichtigsten Motoren auf dem Weg in eine digitale Zukunft. Oder einer der verheerendsten Demotivatoren. Warum soll ich mich anstrengen, wenn mein Boss seinen Job auch nicht macht? Diese Frage müsste ein wohlinformierter Mitarbeiter erst gar nicht stellen. Denn er wüsste ja genau, was im Unternehmen in Sachen digitaler Wandel geschieht. Wenn es denn kommuniziert würde. Beim digitalen Kulturwandel geht es also vorwiegend um Kommunikation. Hier sind allerdings weder soziale Netzwerke noch Content Marketing gemeint, sondern die gute alte Mund zu Mund Propaganda, wie eingangs bereits erwähnt. Natürlich müssen in einem modernen Unternehmen alle Kommunikationskanäle genutzt werden, die im digitalen Zeitalter zur Verfügung stehen. Relevante Informationen sollten jedoch direkt von Mensch zu Mensch und an jeden Mitarbeiter übermittelt werden. Die persönliche Ansprache spielt kulturell eine wichtige Rolle und ist für die Vertrauensbildung von unschätzbarem Wert. Mit einer offenen und transparenten Kommunikationskultur eröffnen sich ungeahnte Chancen des digitalen Miteinanders. Nur mit Vertrauen in beide Richtungen kann eine gemeinsame Unternehmenskultur entstehen.

Unternehmenskultur 4.0
Wie sieht es in Ihrem Unternehmen aus? Und würden Sie als Chef diese Frage genauso beantworten wie Ihre Mitarbeiter? Ist der digitale Wandel bereits real, oder erleben nur Sie alleine eine Digital Culture als fortgeschritten? Mit diesen Fragen kommen Sie dem Status quo auf die Spur. Sollten Sie auf Diskrepanzen in der Wahrnehmung der Unternehmenskultur stoßen, müssen diese störenden Steine auf dem Weg in die digitale Zukunft schnellstens aus dem Weg geräumt werden. Denn das tägliche Umgehen dieser Steine kostet bares Geld und hemmt den digitalen Wandel ungemein. In zehn Schritten können Sie die Kluft zwischen Führungsebene und Mitarbeitern schließen.

1.      Klare Verantwortlichkeiten schaffen
Achten Sie darauf, wirklich alle Mitarbeiter in den Entwicklungsprozess einzubinden. Nur, wenn jeder Einzelne mit dem CEO am selben Strang zieht, kann digitale Unternehmenskultur erfolgreich etabliert werden.

2.      Keine Leadership Isolation
Was denken meine Mitarbeiter, wo steckt die Motivation hinter ihren Aussagen und Fragen? Das zu wissen kann für Führungskräfte mit Entscheidungsverantwortung in Sachen digitaler Wandel äußerst hilfreich sein.

3.      Silo-Mentalität verabschieden
Funktionsübergreifende Teams sind für eine Digital Culture wesentlich zuträglicher als starre Abteilungen, Funktionen und Berichtslinien. Weniger Hierarchie und mehr Selbstorganisation eröffnet allen Beteiligten neue Chancen.

4.      Kulturbeauftragte
Ausgebildete Change Agenten können die Entwicklung einer digitalen Kultur maßgeblich vorantreiben und dazu beitragen, dass jeder einzelne Mitarbeiter die Bedeutung der digitalen Transformation selbst verinnerlicht und befördert.

5.      Klare Kommunikationskultur
Ein reger Austausch, zu dem offene Feedbacks selbstverständlich dazu gehören, schafft einerseits Klarheit, andererseits aber auch ein Gefühl der Gemeinsamkeit. So wird die Umsetzung der digitalen Vision zu einem Gemeinschaftsprojekt des gesamten Unternehmens.

6.      Kultur begreifbar machen
Ein spezielles Team, dessen Aufgabe es ist, die digitale Kultur voranzutreiben und das auch zu kommunizieren, schafft Transparenz. In dieses Projekt sollten Mitarbeiter aller Ebenen integriert werden.

7.      Kontrollfragen stellen
Teamübergreifende Hospitationen können Einblicke in den Fortschritt des digitalen Kulturwandels verschaffen.

8.      Digitale Kollaborations-Tools
Diese dienen dem Kontakt zu Mitarbeitern und der allgemeinen Transparenz.

9.      Kennzahlen festlegen
Die Ziele der digitalen Unternehmenskultur klar setzen.

10.  Risiken wagen
Übertriebenes Sicherheitsdenken, das zu Stillstand führt, blockiert den digitalen Wandel. Wer sein Unternehmen in die Zukunft führen möchte, sollte auch mal Experimente wagen, die ihm digitale Türen öffnen könnten.

Fazit
Als Unternehmer sind Sie selbstverständlich für den digitalen Wandel zuständig. Sie bestimmen den kulturellen Weg, den Ihr Betrieb in der Zukunft beschreiten wird. Aber diesen Weg können Sie alleine nicht gehen. Für die Entwicklung einer digitalen Vision brauchen Sie einen Verantwortlichen, der die Agenda in die Tat umsetzt. Kultur betrifft aber alle miteinander. Was wäre ein Orchester ohne den Dirigenten? Genauso wenig leistungsfähig wie ohne die erste Geige oder die letzte Flöte. Das ohrenschmeichelnde Konzert ist immer eine Teamleistung, bei der alle am selben Strang ziehen müssen. Und alle den Erfolg wollen. Diese kulturelle Leistung können Sie 1 zu 1 auf Ihr Unternehmen übertragen. Hierarchische Strukturen von oben nach unten sind eine Einbahnstraße, die nicht zum Erfolg führen kann, wenn es um Digital Culture geht. Eine gemeinsame Vision kann nur auf einer soliden Vertrauensbasis entstehen. Nur ein glaubwürdiger Dirigent kann für harmonische Töne des gesamten Orchesters sorgen, indem er jeden einzelnen Musiker zur Bestleistung für das Team anspornt. Durch eine gemeinsam erlebte Kultur kann auch im Unternehmen die zukunftshemmende Kluft zwischen oben und unten geschlossen werden.

Donnerstag, 23. August 2018

Frau Hägele sieht rot




Erinnern Sie sich noch an Frau Hägele? Dann lesen Sie hier eine weitere Episode aus dem Leben der schwäbischen Hausfrau und Hausmeisterin. Neulich hat Frau Hägele nämlich rot gesehen. Wie das einer so umsichtigen und besonnenen Person passieren konnte? Nun, es geschah kurz nach den Ferien im neuen Schuljahr der jüngsten Hausbewohner.

Roter Schock am Morgen
Als Frau Hägele morgens ihre Haare aufgedreht hatte und in ihre Kittelschürze geschlüpft war, betrat sie mit Lockenwicklern auf dem Kopf und einem leichten Gähnen im Gesicht den Hausflur. Als sie sich mit Schrubber und Eimer bewaffnet auf dem Weg nach oben befand, blieb sie plötzlich wie angewurzelt stehen. Die Kinder hatten treppab Kirschsaft verschüttet und damit eine rote Spur nach unten hinterlassen. Keine der Mütter hatte das wohl bisher bemerkt, sonst hätte Frau Hägele jetzt nicht rot sehen müssen. Natürlich waren die Spuren des Missgeschicks schnell beseitigt, eine der leichtesten Übungen für Frau Hägele. Aber das Ganze hatte später am Tag noch ein Nachspiel.

Zum Gespräch, bitte
Nachdem unsere schwäbische Hausmeisterin in aller Ruhe ihre Putzpflichten erledigt hatte und das Treppenhaus wie immer glänzte, bat sie die beiden Mütter der kleinen Übeltäter zum Gespräch. Bei einer Tasse Kaffee wurde die Angelegenheit in lockerer Runde diskutiert. Dabei ging es keineswegs um Vorwürfe oder Tadel der Mütter. Auch die Kinder sollten nicht ausgeschimpft und bestraft werden. Man erörterte viel mehr gemeinsam, wie man den Kleinen eine sinnvolle Lektion erteilen könnte. Damit sie ihr nächstes Malheur von selbst beseitigen würden, ohne dass Frau Hägele erneut rot sehen müsste.

Frau Hägele als KVP Coach
Wenn man sich diese Anekdote einmal vor Augen führt, könnte man meinen, Frau Hägele hätte eine fundierte Ausbildung zum KVP Coach absolviert. Denn ihr Auftreten als Motivator und Moderator war in diesem Fall mal wieder vorbildhaft. So manch ein Qualitätsmanager könnte sich da eine Scheibe abschneiden. Denn wenn so eine Führungskraft rot sieht, dann kann es im Betrieb schon mal laut werden. Wer sich ärgert, lässt das ja nur allzu gerne an Anderen aus. Wie praktisch, wenn man der Chef ist, und dafür eine erkleckliche Zahl an Untergebenen zur Verfügung steht. Frau Hägele ist zwar Niemandes Chefin, hätte ihren Ärger über die ausgedehnten Kirschsaftflecken aber gut und gerne an den Müttern und ihren Kindern auslassen können. Damit hätte sie aber ganz sicher nicht das gewünschte Ergebnis erzielt. Nämlich die Fleckenverursacher dazu zu bringen, ihre Hinterlassenschaften beim nächsten Mal selbst und sofort zu beseitigen.

Frau Hägele löst ihre Probleme mit Motivation anstatt mit Wutausbrüchen. Weil sie dabei die gesamte betroffene Gruppe miteinbezieht, erweisen sich ihre Lösungsansätze stets als nachhaltig. Um ein simples Problem wie Kirschsaftflecken auf der Treppe muss sich die Hausmeisterin in der Regel also nur einmal kümmern. Ohne jemals von den Mechanismen der Kommunikation innerhalb von heterogenen Gruppen gehört zu haben. Hut ab, Frau Hägele. Was aber kann nun ein tatsächlich fundiert ausgebildeter KVP Coach daraus lernen?

Die praktische Lösung
Frau Hägele diskutierte mit den Müttern unterschiedliche Lösungsansätze. Die Kinder sollten einerseits verstehen, was sie der Hausmeisterin für eine Arbeit verursacht hatten. Andererseits sollten sie einsehen, wie schnell so ein Kirschsaftfleck beseitigt ist, wenn man sich sofort und unmittelbar darum kümmert. Und was es für einen Gewinn für die Sauberkeit im Haus wäre, wenn jeder dies beherzigen würde. Bevor die Kinder von der Schule nach Hause kamen, wurde auf der Treppe etwas von dem Kaffee verteilt, den die drei Strateginnen zusammen genossen hatten. Das entging den Kids natürlich nicht und sie berichteten ihren Müttern davon. Diese erwiderten, dass die Flecken durch eine Wortmeldung nicht verschwinden würden, und schlugen den Kindern vor, selbst zur Tat zu schreiten. Mit wenig Begeisterung wischten sie die vergleichsweise kleinen Kaffeeflecken fort. Dafür gab´s dann zum Nachtisch eine Extraportion Schokoladenpudding. Und hinterher ein klärendes Gespräch. Jetzt hatten die Kinder begriffen. Die Mütter hofften, dass sie ihre Erkenntnisse in der Zukunft auch praktisch umsetzen würden. Sie wussten, dass sie sich dabei auf die Kontrollinstanz Frau Hägele hundertprozentig verlassen konnten.

Die Umsetzung auf höherer Ebene
„Was hat das Alles mit meiner Unternehmensrealität zu tun?“ werden Sie jetzt vielleicht fragen. „Sehr viel“ müsste die Antwort lauten. Nehmen Sie die Kirschflecken als Metapher für einen Produktionsfehler, den nicht die verantwortlichen Produktionsmitarbeiter, sondern der KVP Coach entdeckt. Selbstverständlich wird er sich daraufhin nicht mit seinen Nachbarn auf einen Kaffee verabreden. Aber er wird zunächst die betroffenen Führungskräfte zum Gespräch bitten. Er wird das nicht Kaffeeklatsch, sondern Teambesprechung nennen. Er wird den Konflikt ansprechen und dabei Fragetechniken anwenden, die er in seinen hochbezahlten Seminaren gelernt hat.

Wie Frau Hägele wird auch der KVP Coach in diesem ersten Gespräch eine Veränderung des Prozesses anstreben. Sein nächstes Ziel wird die Institutionalisierung seines Veränderungsmanagements sein. Bei der schwäbischen Hausmeisterin ging es um eine praktikable Lösung, die sich bei den Kindern verinnerlichen könnte. Also nix Anderes.

Natürlich ist ein Produktionsbetrieb kein schwäbischer Hausflur. Aber die Prinzipien, auf denen hier wie dort eine dauerhafte Qualität basiert, unterscheiden sich im Grunde nicht. Und es geht ja ums Prinzip. Denn wer einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess anstrebt, muss gewisse Prinzipien einhalten, sich an bestimmte Regeln halten. Vor allem, wenn es um die Kommunikation geht. Darin unterscheidet sich die schwäbische Hausmeisterin nur marginal vom Qualitätsmanager eines Weltunternehmens. Denn mit guter oder schlechter Kommunikation steht und fällt der Erfolg von Maßnahmen der kontinuierlichen Verbesserung. Ob es sich dabei nun um Kirschsaftflecken handelt, die Kinder gedankenlos hinterlassen haben, oder um Fehler, die sich von den Mitarbeitern unbemerkt in den Produktionsprozess einschleichen.

Who is ok?
Stellen Sie sich vor, Frau Hägele wäre nach der Entdeckung der Kirschsaftflecken wutentbrannt zu den Müttern geeilt, um die lautstark aufzufordern, diese umgehend zu beseitigen. Die Mütter hätten dem sicherlich sofort Folge geleistet. Aber was hätte die Hausmeisterin dadurch gewonnen? Fünf Minuten, die sie nicht selbst hätte in die Reinigung investieren müssen. Und auf lange Sicht? Nichts. Warum? Weil sie sich über ihre Gesprächspartner erhoben und nur ihre eigene Sichtweise der Dinge hätte gelten lassen. Die kluge Hausfrau jedoch hat sich in ihrer effizienten Kommunikation unbewusst der Transaktionsanalyse bedient. Frau Hägele ist eben keine gewöhnliche Hausmeisterin.

Die Transaktionsanalyse kennt vier Grundhaltungen, welche die zwischenmenschliche Kommunikation maßgeblich beeinflussen:

·        Ich bin nicht ok – Du bist ok
Eine Haltung, die nicht gerade Autorität ausstrahlt. Damit hätte Frau Hägele mit Sicherheit kein Gespräch auf Augenhöhe hinbekommen. Die Mütter hätten sie mit ihrem Problem überhaupt nicht ernst genommen.

·        Ich bin nicht ok – Du bist nicht ok
Auch diese Einstellung vermittelt beim Gesprächspartner keinen souveränen Eindruck. Wenn man damit an Problemlösungen herangeht, ist das Scheitern schon vorprogrammiert. Frau Hägele und die beiden Mütter hätten mit dieser Haltung vielleicht einen mehr oder weniger plauschigen Kaffeeklatsch abhalten können, zu konstruktiven Lösungen wäre es aber bestimmt nicht gekommen.

·        Ich bin ok – Du bist nicht ok
Auch keine Einstellung, die zum Erfolg führt. Damit hätte Frau Hägele zwar als Autoritätsperson auftreten können, eine gemeinsame Lösungsfindung wäre aber nicht möglich gewesen. Auf die unverzichtbare Kooperation der Mütter hätte die Hausmeisterin mit dieser Von-oben-herab-Haltung sicher nicht bauen können.

·        Ich bin ok – Du bist ok
So sieht Kommunikation auf Augenhöhe aus, welche die Meinungen und Sichtweisen aller Gesprächsteilnehmer berücksichtigt. Die einzige Möglichkeit, gemeinsam zu einem praktikablen Ergebnis zu kommen. Und Frau Hägeles natürlich Art der Kommunikation.

Ein wirklich von innen heraus souveräner Chef kann selbst seiner Putzfrau signalisieren „Ich bin ok – Du bist ok“, ohne seine Autorität einzubüßen. Damit wird eine angenehme Kommunikationsatmosphäre hergestellt, die alle Gesprächsteilnehmer motiviert, sich einzubringen. So schaffte es Frau Hägele, die Mütter aktiv in den Lösungsprozess einzubinden. Und was diese schwäbische Hausfrau kann, das werden Sie als Qualitätsmanager oder KVP Coach doch schon lange können, oder nicht?! Leider ist das nicht immer der Fall. Deshalb ist die Geschichte von den Kirschsaftflecken für Jeden eine Überlegung wert, der in irgendeiner Weise mit Qualität zu tun hat. Und wer hat das nicht?

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