Der digitale Wandel ist ja heutzutage in aller Munde. Leider folgt daraus
nicht zwangsläufig, dass er auch von Mund zu Mund kommuniziert wird. Denn dafür
bräuchte es eine offene Kommunikationskultur in den Unternehmen. Und die hat
sich in der deutschen Wirtschaftslandschaft noch genauso wenig etabliert wie
die digitale Evolution. Bevor die Transformation gelingen kann, muss also ein
Kulturwandel her.
Kultur als
Hindernis oder Erfolgsgarant
Zumindest haben die Deutschen das Problem schon mal erkannt. Denn in der
weltweiten Studie ‚The Digital Culture Challenge: Closing The
Employee-Leadership Gap‘ der Unternehmensberatung Capgemini gaben in
Deutschland immerhin 72 Prozent der Befragten die Unternehmenskultur als größte
Hürde für den digitalen Wandel an. Brian Solis bringt es als Co-Autor der
Studie auf den Punkt: „Kultur ist
entweder das größte Hindernis oder aber der stärkste Beschleuniger digitaler
Transformation wie auch Innovation.“ Es habe sich gezeigt, dass viele Manager
ihre Unternehmenskultur bereits für digital halten, während die Mitarbeiter
davon bisher noch nichts bemerkt haben. Diese auseinanderdriftende Wahrnehmung offenbart
das Kommunikationsproblem: Die Kluft zwischen oben und unten ist eine der
größten Hindernisse des digitalen Wandels. Denn dabei geht es um viel mehr als nur
die Integration moderner Technologien. Haben die deutschen Unternehmer das
verstanden? Leider scheint diese Tatsache noch schwerer zu begreifen zu sein
als die komplizierten Technologien selbst.
Wer ist zuständig?
Bisher wurde die digitale Transformation meist von ganz oben herab
betrieben. Als eine der wichtigsten Herausforderungen unserer modernen Zeit
erkannt, wurde die Digitalisierung kurzerhand zur Chefsache erklärt. Leider
waren viele Chefs mit dieser Aufgabe aber heillos überfordert. Kein Wunder,
dass es mit der Kommunikation von oben nach unten dann auch nicht klappte. Zum
Glück ist in dieser Hinsicht bereits ein Wandel zu verzeichnen. Laut der
aktuellen Studie ‚Digital Value 2018‘ der Managementberatung Horvath &
Partners sind derzeit nur noch 8 Prozent aller CEOs federführend in Sachen
Umsetzung der Digitalisierungsstrategie tätig. Diese heikle Aufgabe wurde eine
Etage nach unten weitergereicht und obliegt nun meist funktionalen
Führungskräften. Aber kommunizieren diese denn nun besser als die oberste
Chefetage? Leider nein. Die Wahrnehmung der leitenden Verantwortlichen und der
ausführenden Mitarbeiter klafft nämlich immer noch deutlich auseinander. Fragt
man die Einen oder die Anderen nach einer bestehenden digitalen
Unternehmenskultur fallen die Antworten sehr unterschiedlich aus.
Sind wir schon
digital?
Genau diese Frage hat Capgemini in der Studie ‚Digital Culture Change‘
gestellt. Weltweit erleben 40 Prozent der Top-Manager ihre Unternehmenskultur
bereits digital, bei den übrigen Mitarbeitern empfinden aber nur 27 Prozent so.
Und in Deutschland fällt die Diskrepanz peinlicherweise sogar noch größer aus.
Die Verantwortlichen sind also offensichtlich immer noch nicht in der Lage,
ihre Belegschaft auf dem Weg in die digitale Zukunft mitzunehmen. Anscheinend
hat sich unter ihnen bisher nicht herumgesprochen, dass eine Unternehmenskultur
ohne Einbindung der Mitarbeiter gar nicht existieren kann. Apropos
herumsprechen: Genau daran mangelt es in vielen Unternehmen. Weniger bei
Gerüchten über private Techtelmechtel als bei den Aspekten des digitalen
Kulturwandels. Wenn dieser Kulturwandel tatsächlich stattfinden soll, müssen
die Verantwortlichen im gesamten Humanpool für einschlägige Information sorgen.
Am besten mittels Kommunikation auf Augenhöhe.
Was gehört alles
zur digitalen Kultur?
Auch diese Frage wollte die Capgemini-Studie beantworten. Dafür wurden
sieben Aspekte beschrieben, die für den digitalen Kulturwandel eine kardinale
Rolle spielen:
·
Kundenzentriertheit
·
Innovation
·
Kollaboration, Art der Zusammenarbeit
·
Offene und transparente Kultur
·
Digital-First Mindset
·
Agilität und Flexibilität
·
Datengetriebener Ansatz, auf dessen Basis Entscheidungen getroffen werden
Claudia Crummenerl, Expertin für Executive Leadership & Change zieht
folgenden Schluss aus der Studie: "Offensichtlich sind Unternehmen nicht in
der Lage, ihre Mitarbeiter an der kulturellen Weiterentwicklung zu beteiligen."
Sie plädiert dafür, dass die Führungskräfte sämtlicher Ebenen aus der digitalen
Vision ihres Unternehmens greifbare Ergebnisse ableiten und förderliches
Verhalten auch honorieren müssten. Das funktioniert aber natürlich nur, wenn
zumindest diese sieben Aspekte in den Köpfen der Mitarbeiter verankert werden. Aller
Mitarbeiter. Nur so kann man digitale Kultur etablieren. Es reicht nicht, wenn
der Chef und die verantwortliche Führungskraft alleine die Thematik
verinnerlichen. Wie war das noch mit dem Fisch und seinem Kopf?
Ist der digitale
Kulturwandel ein Flop?
Die genannten Studien lassen das befürchten. Zumindest vollzieht sich der
Wandel bestenfalls im Schneckentempo. Aber warum bleiben die deutschen
Unternehmen unter ihren Möglichkeiten? Auch darüber gibt die Capgemini-Studie
Auskunft.
·
Mangelnde Innovation
In allzu vielen Organisationen ist Innovation noch immer nicht zur
selbstverständlichen Realität geworden.
·
Unterschiedliche Wahrnehmung
Mitarbeiter und Führungsebene nehmen die Zusammenarbeit im Unternehmen
unterschiedlich wahr. Die Diskrepanz ist mitunter enorm.
·
Fehlende digitale Vision
Viele Führungskräfte sind nicht in der Lage, eine klare digitale Vision zu
entwickeln, geschweige denn diese an die Mitarbeiter weiter zu vermitteln.
·
Führungskräfte ohne Vorbildfunktion
Viele Führungskräfte hinterlassen bei ihren Mitarbeitern nicht den
Eindruck, dass sie ihren Job gemacht haben.
·
Mangelnde Information
Unternehmen verpassen die Chance, an ihre Mitarbeiter zu kommunizieren, was
im Zusammenhang mit der digitalen Transformation getan wird. Das könnte die
digitale Kultur maßgeblich vorantreiben.
·
Fehlende ‚Kulturbeauftragte‘
Die Unternehmen versäumen es, entsprechend geschulte Mitarbeiter zur
Förderung der Kultur einzusetzen.
·
Fehlende Kennzahlen
Die Ziele der digitalen Transformation werden nicht ausreichend klar
gesetzt.
·
Mangel an Vertrauen
Mitarbeiter trauen ihren Führungskräften nicht zu, dass sie die digitale
Transformation wirklich vorantreiben.
Der letzte Punkt ist vielleicht der alles entscheidende Knackpunkt.
Zumindest ist Vertrauen in die Führung eine der wichtigsten Motoren auf dem Weg
in eine digitale Zukunft. Oder einer der verheerendsten Demotivatoren. Warum
soll ich mich anstrengen, wenn mein Boss seinen Job auch nicht macht? Diese
Frage müsste ein wohlinformierter Mitarbeiter erst gar nicht stellen. Denn er
wüsste ja genau, was im Unternehmen in Sachen digitaler Wandel geschieht. Wenn
es denn kommuniziert würde. Beim digitalen Kulturwandel geht es also vorwiegend
um Kommunikation. Hier sind allerdings weder soziale Netzwerke noch Content
Marketing gemeint, sondern die gute alte Mund zu Mund Propaganda, wie eingangs
bereits erwähnt. Natürlich müssen in einem modernen Unternehmen alle
Kommunikationskanäle genutzt werden, die im digitalen Zeitalter zur Verfügung
stehen. Relevante Informationen sollten jedoch direkt von Mensch zu Mensch und
an jeden Mitarbeiter übermittelt werden. Die persönliche Ansprache spielt
kulturell eine wichtige Rolle und ist für die Vertrauensbildung von
unschätzbarem Wert. Mit einer offenen und transparenten Kommunikationskultur
eröffnen sich ungeahnte Chancen des digitalen Miteinanders. Nur mit Vertrauen
in beide Richtungen kann eine gemeinsame Unternehmenskultur entstehen.
Unternehmenskultur
4.0
Wie sieht es in Ihrem Unternehmen aus? Und würden Sie als Chef diese Frage
genauso beantworten wie Ihre Mitarbeiter? Ist der digitale Wandel bereits real,
oder erleben nur Sie alleine eine Digital Culture als fortgeschritten? Mit
diesen Fragen kommen Sie dem Status quo auf die Spur. Sollten Sie auf
Diskrepanzen in der Wahrnehmung der Unternehmenskultur stoßen, müssen diese
störenden Steine auf dem Weg in die digitale Zukunft schnellstens aus dem Weg geräumt
werden. Denn das tägliche Umgehen dieser Steine kostet bares Geld und hemmt den
digitalen Wandel ungemein. In zehn Schritten können Sie die Kluft zwischen
Führungsebene und Mitarbeitern schließen.
1.
Klare Verantwortlichkeiten schaffen
Achten Sie darauf, wirklich alle Mitarbeiter in den Entwicklungsprozess
einzubinden. Nur, wenn jeder Einzelne mit dem CEO am selben Strang zieht, kann
digitale Unternehmenskultur erfolgreich etabliert werden.
2.
Keine Leadership Isolation
Was denken meine Mitarbeiter, wo steckt die Motivation hinter ihren
Aussagen und Fragen? Das zu wissen kann für Führungskräfte mit
Entscheidungsverantwortung in Sachen digitaler Wandel äußerst hilfreich sein.
3.
Silo-Mentalität verabschieden
Funktionsübergreifende Teams sind für eine Digital Culture wesentlich
zuträglicher als starre Abteilungen, Funktionen und Berichtslinien. Weniger
Hierarchie und mehr Selbstorganisation eröffnet allen Beteiligten neue Chancen.
4.
Kulturbeauftragte
Ausgebildete Change Agenten können die Entwicklung einer digitalen Kultur
maßgeblich vorantreiben und dazu beitragen, dass jeder einzelne Mitarbeiter die
Bedeutung der digitalen Transformation selbst verinnerlicht und befördert.
5.
Klare Kommunikationskultur
Ein reger Austausch, zu dem offene Feedbacks selbstverständlich dazu
gehören, schafft einerseits Klarheit, andererseits aber auch ein Gefühl der
Gemeinsamkeit. So wird die Umsetzung der digitalen Vision zu einem
Gemeinschaftsprojekt des gesamten Unternehmens.
6.
Kultur begreifbar machen
Ein spezielles Team, dessen Aufgabe es ist, die digitale Kultur
voranzutreiben und das auch zu kommunizieren, schafft Transparenz. In dieses
Projekt sollten Mitarbeiter aller Ebenen integriert werden.
7.
Kontrollfragen stellen
Teamübergreifende Hospitationen können Einblicke in den Fortschritt des
digitalen Kulturwandels verschaffen.
8.
Digitale Kollaborations-Tools
Diese dienen dem Kontakt zu Mitarbeitern und der allgemeinen Transparenz.
9.
Kennzahlen festlegen
Die Ziele der digitalen Unternehmenskultur klar setzen.
10.
Risiken wagen
Übertriebenes Sicherheitsdenken, das zu Stillstand führt, blockiert den
digitalen Wandel. Wer sein Unternehmen in die Zukunft führen möchte, sollte
auch mal Experimente wagen, die ihm digitale Türen öffnen könnten.
Fazit
Als Unternehmer sind Sie selbstverständlich für den digitalen Wandel
zuständig. Sie bestimmen den kulturellen Weg, den Ihr Betrieb in der Zukunft
beschreiten wird. Aber diesen Weg können Sie alleine nicht gehen. Für die
Entwicklung einer digitalen Vision brauchen Sie einen Verantwortlichen, der die
Agenda in die Tat umsetzt. Kultur betrifft aber alle miteinander. Was wäre ein
Orchester ohne den Dirigenten? Genauso wenig leistungsfähig wie ohne die erste
Geige oder die letzte Flöte. Das ohrenschmeichelnde Konzert ist immer eine Teamleistung,
bei der alle am selben Strang ziehen müssen. Und alle den Erfolg wollen. Diese
kulturelle Leistung können Sie 1 zu 1 auf Ihr Unternehmen übertragen.
Hierarchische Strukturen von oben nach unten sind eine Einbahnstraße, die nicht
zum Erfolg führen kann, wenn es um Digital Culture geht. Eine gemeinsame Vision
kann nur auf einer soliden Vertrauensbasis entstehen. Nur ein glaubwürdiger
Dirigent kann für harmonische Töne des gesamten Orchesters sorgen, indem er
jeden einzelnen Musiker zur Bestleistung für das Team anspornt. Durch eine
gemeinsam erlebte Kultur kann auch im Unternehmen die zukunftshemmende Kluft
zwischen oben und unten geschlossen werden.