Donnerstag, 26. Oktober 2017

FMEA: Fehler kosten Geld und schaden Ihrem Image


Menschen machen Fehler. Irren ist menschlich. Erst am Fehler erkennt man das Original. Es sind die kleinen Fehler, die jemanden sympathisch machen. Das hören wir immer wieder. Diese Denkweise wurde uns beigebracht. Denken Sie auch so? Dann sollten Sie diesen Artikel lesen. Er wird Sie kurieren.

Aktion, Reaktion, Rückrufaktion
Anfang März 2015 hat VW drei Rückrufe gestartet. In Deutschland müssen demnächst 2600 Polo und E-Ups, die zwischen Februar und September 2014 gebaut wurden, in die Werkstatt, weil das Steuergerät des Airbags nicht funktioniert. Der Airbag könnte von alleine während der Fahrt aufgehen. Außerdem müssen in Deutschland 8000 Crafter-Kastenwagen in die Werkstatt, weil die Kardanwelle brechen könnte. Beim Touareg Hybrid ist in 185 frischverkauften Autos das Kraftstoffsystem undicht. Weltweit betreffen die drei aktuellen VW-Rückrufe 34.000 Fahrzeuge. Ende Februar 2015 musste Mercedes weltweit 300.000 Fahrzeuge der E- und CLS-Klasse zurückrufen, weil sich ein Dichtring lösen und einen Brand verursachen könnte. Im Jahr 2014 hat der US-Autobauer General Motors insgesamt sagenhafte 28 Millionen Fahrzeuge zurückrufen müssen, weil die Zündschlösser defekt waren. Das Unternehmen hat zugegeben, dass durch diesen Fehler im Vorfeld der Rückrufaktion 19 Menschen zu Tode kamen.

Ein Fehler ist ein Fehler ist ein Fehler
In der Liebe, ja, da sind kleine Fehler sympathisch. Im zwischenmenschlichen Bereich hat die harte Perfektion wirklich ihre Grenzen. Aber auch nur da. Wenn es ums Geschäft geht, wenn Sie einem Kunden ein Produkt verkaufen, dann muss dieses Produkt perfekt sein, sonst ist es sein Geld nicht wert, sonst hält der Kunde Ihr Unternehmen für ein schlechtes Unternehmen, sonst verspielen Sie wertvolles Vertrauen. Fehler haben in der Produktion nichts zu suchen. Wer hier einen laxen Umgang pflegt, wird früher oder später scheitern. Denn die Konkurrenz ist groß. Die Kunden haben immer mehr die Wahl. Und sie werden Ihnen vielleicht einmal oder zweimal zähneknirschend verzeihen, aber irgendwann fällt der Hammer. Dann gilt Ihre Firma als unzuverlässige Schrottbude, dann hat man Angst vor Ihren Produkten, dann ist Ihr Ruf ein für alle Mal im Eimer und kommt da nicht mehr raus. Wissen Sie, was solche Rückrufaktionen kosten? In den drei genannten Beispielen sind es riesige Autokonzerne mit einem dicken Konto. Denen schadet der Millionen- oder gar Milliardenbetrag nicht allzu stark. Aber stellen Sie sich einen Mittelständler vor, dem so etwas passiert. Der kann dicht machen. Der ist erledigt. Der steht da wie ein begossener Pudel. Dabei hätte das alles vermieden werden können.

Kennen Sie FMEA? 
Der Begriff kommt ursprünglich aus dem Englischen: FMEA heißt Failure Mode and Effects Analysis. Aber es gibt eine schöne Eindeutschung: Fehler-Möglichkeiten-Einfluss-Analyse. Man sagt auch Auswirkungsanalyse. Aber was ist das? Was verbirgt sich dahinter? Das ist ganz leicht erklärt. FMEA ist eine Methode, mit der Sie Fehler in Produkten, Produktionsprozessen oder Dienstleistungen erkennen, in ihrer Auswirkung und Gefährlichkeit einschätzen und so schnell wie möglich abstellen. Es gibt FMEA-Berater, es gibt FMEA-Software, und es gibt tausend gute Gründe, diese Methode anzuwenden. Denn hier werden Fehler vermieden, bevor sie bares Geld, guten Ruf und vielleicht sogar Menschenleben kosten. FMEA ist besonders in der Automobil, Luft- und Raumfahrtindustrie gängiger Standard. Überall, wo es um Sicherheit geht, wo sich eine Firma kein iteratives Vorgehen leisten kann, gehört die Auswirkungsanalyse zum Pflichtprogramm. Aus der Computerwelt sind wir iteratives Vorgehen gewohnt: Google & Co. bringen zunächst mal Beta-Versionen auf den Markt. Hauptsache, man hat die Nase vorn und kommt als Erster mit der Neuerung auf den Markt. Ob sie dann funktioniert, wird man schon sehen. Zur Not wird dann ein Feature, eine App, eine Suchmaske schnell umprogrammiert. Das geht aber nur in Branchen, die unser Wohlergehen an Leib und Leben nicht direkt betreffen. Ob uns Google nun zehn oder zwanzig falsche Treffer anzeigt, ist nicht wirklich wichtig. Aber wenn sich in einem Auto ein Airbag im falschen Moment öffnet, ist der Teufel los. FMEA ist Sicherheit für Unternehmen, in denen die Produkte von Anfang an perfekt sein müssen. Absolut perfekt. Damit sie niemanden gefährden.

Wie funktioniert FMEA?
Natürlich brauchen Sie für eine passgenaue Auswirkungsanalyse einen Profi. Nur jemand, der sich hier wirklich auskennt, ist Ihnen nützlich. Am besten ist es, wenn schon ganz zu Beginn des Produktlebenszyklus eine FMEA durchgeführt wird. Hier können die Weichen von Anfang an in die richtige Richtung gestellt und mögliche Fehler präventiv ausgeschlossen werden. Je "älter" das Produkt ist, desto teurer kommt die Fehlerbehebung. Eine gigantische Rückrufaktion wie etwa die von Mercedes kostet das Unternehmen sehr viel Geld. Hier hätte eine bessere FMEA sich wirklich bezahlt gemacht. Man kann nur hoffen, dass die Verantwortlichen der betroffenen Firmen das möglichst umfassend und ausreichend schnell erkennen. Doch selbstverständlich ist eine Auswirkungsanalyse zu jedem Zeitpunkt und zu jedem Produkt oder Produktionsprozess durchführbar. Die Vorgehensweise hängt vom untersuchten Gegenstand ab. Aber in jedem Fall ist sie in mehrere Schritte strukturiert. Zunächst wird das System oder der Prozess bestimmt. Dann erfolgt die bildliche Darstellung der jeweiligen Funktionszusammenhänge. Hier können nun die Fehler oder die Fehlermöglichkeiten analysiert werden. Dann kann das Risiko anhand einer Risikoprioritätszahl (RPZ) berechnet werden. Dabei spielen die Faktoren Auftretenswahrscheinlichkeit, Entdeckungswahrscheinlichkeit und Bedeutungsschwere des Fehlers eine Rolle. Schließlich können Maßnahmen ergriffen werden, die Fehler beheben oder von vorneherein ausschließen. Es versteht sich von selbst, dass ein guter FMEA-Berater mit der von ihm bewerteten Materie ausreichend vertraut sein muss. Mit Hilfe entsprechender Software-Produkte können Ihre Ingenieure eine Auswirkungsanalyse nach einer gewissen Anweisungs- und Lernphase in Zukunft aber auch selbst durchführen.     

Und das brauchen wir?
Ja, das brauchen Sie, wenn Sie ein Unternehmen führen, das perfekte Produkte verkaufen will. Wenn Sie natürlich nach dem Trial & Error-Prinzip der großen Internetgiganten vorgehen möchten, dann können Sie auf eine FMEA auch verzichten. Dann bringen Sie etwas auf den Markt und wenn was nicht klappt, machen Sie ein schnelles Update oder Sie vertrauen einfach darauf, dass die Kunden sowieso keine Auswahl haben, weil Sie ein Monopolist wie Google sind, dem eh keiner was kann. Ironie off: Normale Unternehmen, also alle außer ein paar historischen Ausreißern, brauchen Produkte, die von Anfang an etwas taugen und niemanden gefährden. Deswegen ist eine gute FMEA auch für Ihr Unternehmen wichtig.

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