Dienstag, 30. Juni 2015

Human Ressources und Humankapital






































Die Begriffe „human Ressources“ und „Humankapital“ sind feste Bestandteile in der Sprache der modernen Arbeitswelt. Es ist erstaunlich, wie normal es anscheinend ist, Menschen mit all ihren Kenntnissen und Fähigkeiten mit lebloser Materie wie Produktionsmaterial, Handelsware oder Währungen gleichzusetzen. Ein bekanntes Zeitarbeitsunternehmen spricht ganz zutreffend von einem „unemotionalen“ und „wirtschaftlichen Begriff“ 


Entwertender geht es m.E. nicht! Betrachten wir Mitarbeiter, Kollegen, Untergebene mit all dem, was sie können gar als Rohstoff, nachwachsend noch dazu? Ist es nicht geradezu pervers und frech, dass dann – und hier nehme ich die nachfolgende Aussage des Zeitarbeitsunternehmens als stellvertretendes Beispiel – mit der Fähigkeit geworben wird, diesem Wirtschaftsbegriff ein Gesicht geben zu können? Unweigerlich fragt man sich, ob die zu vermittelnden Mitarbeiter vorher denn keines gehabt hätten. Erst werden Menschen, Individuen einfach zu einem Terminus, um sie anschließend wieder „zum Leben“ zu erwecken. Diese Werbung möchte wohl den Eindruck vermitteln, es könne aus einem Fachbegriff echte Menschen machen. 


Selbstverständlich wäre eine Firma schlecht beraten, würde sie das Fachwissen und die Fähigkeiten der Mitarbeiter bei ihrer unternehmerischen Tätigkeit, Planung und Eigenbewertung völlig außer Acht lassen. Auch wenn man mengenmäßig die Mitarbeiter erfassen kann: ihr Wissen, ihre Fachkompetenz, emotionale Intelligenz und emotionale sowie soziale Kompetenz lassen sich jedoch nicht in Zahlen ausdrücken. 


Die Art und Weise wie etwas bezeichnet wird zeigt die Wertschätzung, die man einer Sache entgegenbringt. So auch hier. Spricht man von Humankapital oder lieber von Fachpersonal, Mitarbeitern, Kollegen? Sind die Unternehmensverantwortlichen wirklich der Ansicht, man fühle sich persönlich und fachlich wertgeschätzt, wenn allgemein von „human resources“ gesprochen wird? 


Es verwundert es nicht, dass die so Wertgeschätzten entweder bewusst oder unbewusst nicht ihre gesamte Arbeitskraft zur Verfügung stellen, unmotiviert und nicht selten sogar verängstigt sind. Auf sie als Person kommt es ja nicht an. Ein Fachangestellter ist durch einen anderen Fachangestellten ersetzbar, so hat es den Anschein.


Erstaunlich ist, wieviele Firmeninhaber und Führungskräfte hier Potenzial sprichwörtlich auf der Straße liegenlassen, wie wenig sie die Möglichkeiten nutzen, mehr aus ihren Kollegen und Mitarbeitern zu machen und durch deren Motivation Zugang zu mehr verwendbarem Wissen und Engagement zu erlangen. Sie sollten dieses Potenzial nicht verbrauchen, sondern gebrauchen.

Betrachtet man sein Personal ähnlich wie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, so lässt man einen entscheidenden Faktor außer Acht. Zwar lassen sich die jeweiligen Fachkenntnisse und Qualifikationen der Mitarbeiter untereinander vergleichen, jedoch ist auch entscheidend, was  sie jenseits ihrer Zeugnisse und Qualifikationsnachweise auszeichnet. 


Es ist ein Irrtum zu glauben, jeder sei auf jeder Position ohne Reibungsverluste austauschbar, solange er dieselben Fähigkeiten aufweist.  Nicht jeder passt gleich gut in ein Team, auf eine Position o.ä. Ferner wird gerne und oft von den Zahlenbegeisterten eines Unternehmens verkannt, dass oftmaliger Personalwechsel schlichtweg unwirtschaftlich ist, selbst wenn mit jedem Austausch am Gehalt oder Zusatzkonditionen „gespart“ werden kann. 


Während der Einarbeitungsphase kann der neue Mitarbeiter logischerweise noch nicht vollständig die vertraglich vereinbarte Leistung erbringen. Die offenen und versteckten Regeln sind herauszufinden, ebenso sind das offizielle und inoffizielle Organigramm, Infrastruktur, Kollegen, Kunden etc. kennenzulernen. Diejenigen Kollegen, die für die Betreuung in der Anfangsphase zur Verfügung stehen müssen, sind, auch wenn sie ihr gefordertes Pensum erbringen können, nicht selten über einen längeren Zeitraum stärker als sonst belastet. Bis also der neue Mann oder die neue Frau  die gewinnbringende Zone erreichen, dauert es eine Weile. Die Ressource muss also erst wachsen, bevor man sie vollends einsetzen kann.

Solche Gedanken trugen auch dazu bei, 2004 das Wort „Humankapital“ zum Unwort des Jahres zu küren. Eine sechsköpfige Jury von Sprachwissenschaftlern führte als Begründung an, dieser Begriff setze Menschen „zu nur noch ökonomisch interessanten Größen“ herab. Bereits 1998 war „Humankapital“ für das Unwort des Jahres nominiert. Hier stand es  - man möchte es kaum glauben - als Synonym für Kinder.


Vielleicht verhilft der vielgefürchtete und vielbesprochene Fachkräftemangel den Entscheidungsträgern auf die Sprünge und regt zu neuem, wertschätzendem Denken an. Die Ausgangsposition der gesuchten Fachkräfte hat sich wesentlich verbessert. Ob sie schon insgeheim eine neue, an „human ressources“ angelehnte, Wortschöpfung  als adäquate Antwort kreiert haben?

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