Die Begriffe „human Ressources“ und „Humankapital“ sind feste Bestandteile in der Sprache der modernen Arbeitswelt. Es ist erstaunlich, wie normal es anscheinend ist, Menschen mit all ihren Kenntnissen und Fähigkeiten mit lebloser Materie wie Produktionsmaterial, Handelsware oder Währungen gleichzusetzen. Ein bekanntes Zeitarbeitsunternehmen spricht ganz zutreffend von einem „unemotionalen“ und „wirtschaftlichen Begriff“
Entwertender geht es m.E. nicht! Betrachten wir Mitarbeiter,
Kollegen, Untergebene mit all dem, was sie können gar als Rohstoff,
nachwachsend noch dazu? Ist es nicht geradezu pervers und frech, dass dann –
und hier nehme ich die nachfolgende Aussage des Zeitarbeitsunternehmens als
stellvertretendes Beispiel – mit der Fähigkeit geworben wird, diesem
Wirtschaftsbegriff ein Gesicht geben zu können? Unweigerlich fragt man sich, ob
die zu vermittelnden Mitarbeiter vorher denn keines gehabt hätten. Erst werden
Menschen, Individuen einfach zu einem Terminus, um sie anschließend wieder „zum
Leben“ zu erwecken. Diese Werbung möchte wohl den Eindruck vermitteln, es könne
aus einem Fachbegriff echte Menschen machen.
Selbstverständlich wäre eine Firma schlecht beraten, würde
sie das Fachwissen und die Fähigkeiten der Mitarbeiter bei ihrer unternehmerischen
Tätigkeit, Planung und Eigenbewertung völlig außer Acht lassen. Auch wenn man
mengenmäßig die Mitarbeiter erfassen kann: ihr Wissen, ihre Fachkompetenz, emotionale Intelligenz und emotionale
sowie soziale Kompetenz lassen sich jedoch nicht in Zahlen ausdrücken.
Die Art und Weise wie etwas bezeichnet wird zeigt die
Wertschätzung, die man einer Sache entgegenbringt. So auch hier. Spricht man
von Humankapital oder lieber von Fachpersonal, Mitarbeitern, Kollegen? Sind die
Unternehmensverantwortlichen wirklich der Ansicht, man fühle sich persönlich
und fachlich wertgeschätzt, wenn allgemein von „human resources“ gesprochen
wird?
Es verwundert es nicht, dass die so Wertgeschätzten entweder
bewusst oder unbewusst nicht ihre gesamte Arbeitskraft zur Verfügung stellen,
unmotiviert und nicht selten sogar verängstigt sind. Auf sie als Person kommt
es ja nicht an. Ein Fachangestellter ist durch einen anderen Fachangestellten
ersetzbar, so hat es den Anschein.
Erstaunlich ist, wieviele Firmeninhaber und Führungskräfte
hier Potenzial sprichwörtlich auf der Straße liegenlassen, wie wenig sie die
Möglichkeiten nutzen, mehr aus ihren Kollegen und Mitarbeitern zu machen und
durch deren Motivation Zugang zu mehr verwendbarem Wissen und Engagement zu
erlangen. Sie sollten dieses Potenzial nicht verbrauchen, sondern gebrauchen.
Betrachtet man sein Personal ähnlich wie Roh-, Hilfs- und
Betriebsstoffe, so lässt man einen entscheidenden Faktor außer Acht. Zwar
lassen sich die jeweiligen Fachkenntnisse und Qualifikationen der Mitarbeiter
untereinander vergleichen, jedoch ist auch entscheidend, was sie jenseits ihrer Zeugnisse und
Qualifikationsnachweise auszeichnet.
Es ist ein Irrtum zu glauben, jeder sei auf jeder Position
ohne Reibungsverluste austauschbar, solange er dieselben Fähigkeiten aufweist. Nicht jeder passt gleich gut in ein Team, auf
eine Position o.ä. Ferner wird gerne und oft von den Zahlenbegeisterten eines
Unternehmens verkannt, dass oftmaliger Personalwechsel schlichtweg unwirtschaftlich
ist, selbst wenn mit jedem Austausch am Gehalt oder Zusatzkonditionen „gespart“
werden kann.
Während der Einarbeitungsphase kann der neue Mitarbeiter
logischerweise noch nicht vollständig die vertraglich vereinbarte Leistung
erbringen. Die offenen und versteckten Regeln sind herauszufinden, ebenso sind
das offizielle und inoffizielle Organigramm, Infrastruktur, Kollegen, Kunden
etc. kennenzulernen. Diejenigen Kollegen, die für die Betreuung in der
Anfangsphase zur Verfügung stehen müssen, sind, auch wenn sie ihr gefordertes
Pensum erbringen können, nicht selten über einen längeren Zeitraum stärker als
sonst belastet. Bis also der neue Mann oder die neue Frau die gewinnbringende Zone erreichen, dauert es
eine Weile. Die Ressource muss also erst wachsen, bevor man sie vollends
einsetzen kann.
Solche Gedanken trugen auch dazu bei, 2004 das Wort
„Humankapital“ zum Unwort des Jahres zu küren. Eine sechsköpfige Jury von
Sprachwissenschaftlern führte als Begründung an, dieser Begriff setze Menschen
„zu nur noch ökonomisch interessanten Größen“ herab. Bereits 1998 war „Humankapital“
für das Unwort des Jahres nominiert. Hier stand es - man möchte es kaum glauben - als Synonym für
Kinder.
Vielleicht verhilft der vielgefürchtete und vielbesprochene
Fachkräftemangel den Entscheidungsträgern auf die Sprünge und regt zu neuem,
wertschätzendem Denken an. Die Ausgangsposition der gesuchten Fachkräfte hat
sich wesentlich verbessert. Ob sie schon insgeheim eine neue, an „human ressources“
angelehnte, Wortschöpfung als adäquate
Antwort kreiert haben?
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