Früher waren es die Enter-Haken, die
Furcht und Panik verbreiteten. Heute hingegen sind es die Enter-Tasten, deren
Macht gefürchtet wird. Im Büro, vornehmlich. Dass es dort wie auf einem
Piratenschiff zugeht, dass also mehr und mehr Angestellte sich dem Willen des
Kommandanten ausgeliefert und wie auf einer Galeere rudernd fühlen, hört man hier und dort immer wieder. Doch,
sind die Etagen der Geschäftswelt wirklich zu Sklavenmärkten und Seelenverkäufern
geworden?
Es gibt zumindest Zahlen, die die
virtuellen Peitschenhiebe für das versäumte Schrubben des Decks manifestieren. Einer
amüsanten Infografik zufolge sieht die Meuterei auf der Bürobrücke so aus:
· - 13
Prozent der Angestellten ersinnen neue Wahrheiten, um das Überschreiten von
Deadlines oder auch eigene Fehler zu verstecken
· - 40
Prozent segeln regelmäßig an vereinbarten Stichtagen vorbei
· - 7
Prozent hübschen ihre Statistiken und Zahlen so auf, dass aus Misserfolgen
Triumphe werden
· - 64
Prozent meutern mit System und verstoßen bewusst gegen interne Prozesse, weil
sie andernfalls unter der wütenden Welle zu vieler Aufgaben untergingen
· - 50
Prozent klagen über Unterbesetzung und darüber, ständig Überstunden an und
unter Deck abreißen zu müssen
· - 42
Prozent schließlich identifizieren 2 oder auch 3 Kollegen als wahre Zeit- und Ressourcenbanditen, die für sich und ihre Arbeit zu viel an Mitteln binden.
Flagge
zeigen - oder doch besser nicht?
In der Seefahrt der letzen
Jahrhunderte war es der Jolly Roger, die schwarze Flagge der Piraten, die
Unheil ankündigte. Eine neue Farbenlehre hat sich indes die Deutsche Bank auf
selbige Fahnen geschrieben. Die Red Flags finden dabei aber weniger Verwendung,
um hoch spekulative Investments zu kennzeichnen, sondern um das Fehlverhalten
von Mitarbeitern anzuzeigen und zu sanktionieren. Also auch eine Art Seelenverkäufer mit
Knechtschaftsanspruch im Kreditwesen? Nicht, solange der Betriebsrat von
Deutschlands Bank Nummer 1 die Tauen der Überwachung kappen kann. So wehrt sich
dieser gegen die einseitige Einführung
des Red-Flags-Systems. Dieses soll dazu dienen, kleinere Regelverstöße zu
ahnden, als Bestrafung das Kürzen von Boni und Beförderungsblockaden vornehmen
zu können und schließlich auch die Sub-Kommandanten der Strafkolonie, also die
Vorgesetzen der Abteilungen, mit Sanktionen belegen zu dürfen.
Dieses kontroverse Flaggezeigen sei
vor allem ein Teil der neuen Wandlungskultur der Deutsche Bank - und daher
müsste einfach jeder bestraft werden, der diesen Kurswechsel torpediert. Eher beschießen
will der Betriebsrat den Beschluss für Rote Flaggen. Denn dessen Auffassung
nach würde dadurch der sowieso schon Leistungsdruck noch weiter angehoben wie
auch die Arbeitsverdichtung verschärft. Zwar müsste Fehlverhalten grundsätzlich sanktionierbar sein, doch wünscht sich die
Arbeitnehmervertretung mehr Transparenz - und vor allem mehr qualifiziertes und
diversifiziertes Zuckerbrot und weniger plumpe Peitsche.
Belohnen
statt bestrafen und Verhalten verändern statt feuern
Woher das Zuckerbrot kommen soll und wie
und wann die Peitsche (behutsam) eingesetzt werden sollte, dafür gibt es
auch Empfehlungen. Generell sind Bestrafungen eher Grund zu Meutereien, lösen
sie doch mitunter kontraproduktive Verhaltensweisen wie Wut und trotz aus.
Vielmehr sollte es darum gehen, erwünschte Verhaltensweisen zu belohnen und vor
Bestrafungen Gespräche zu führen. In diesen sollte klar, sachlich und
unmissverständlich erläutert werden, was genau am Verhalten zur Roten Flagge
oder anderen Sanktionen führen könnte.
Nur so wird auch deutlich, welche die
Erwartungen an die Mitarbeiter/innen sind und wie diese sie künftig umsetzen
können. Erst, wenn Fehltritte erneut und trotz Gespräch(en) auftreten, wird es Zeit,
die Rote Flagge zu hissen. Um diese Sondierungs- und Kursgespräche jedoch
zielgerichtet und kompetent führen zu können, müssen Vorgesetzte geschult
werden. Sie müssen lernen und wissen, wie sie problematische
Verhalten erkennen, thematisieren, in eine andere Richtung lenken und produktiv
sanktionieren. Sie müssen zudem verstehen, wann und wie sie richtig und
gezielt loben - bevor sie Mitarbeiter an den Mast binden und öffentlich
auspeitschen lassen. Metaphorisch gesprochen, versteht sich.
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