Dienstag, 9. Januar 2018

Digitalisierung: Lieblingsrezepte aus der Zukunft







Berlin, 21.4.2037


Mein lieber Freund in der Vergangenheit,

ich hoffe, es geht Dir gut. Nach Deinem letzten Brief kam ich ins Grübeln, insbesondere darüber, ob ich Dich nicht mit einem Zeitsprung aus Deiner unbequemen Zeit zu mir holen kann. Aber was Zeitreisen angeht, sind wir hier im Jahre 2037 ganz schön übers Ohr gehauen worden. Seit Jahren sagt man uns, bald sei es so weit. Aber es gibt immer wieder Probleme, wenn Dinge transportiert werden, vom Menschen ganz zu schweigen. Und dann ist da nach wie vor diese verdammte Unschärfetheorie. Heisenberg bringt uns also auch hier und heute immer noch zur Verzweiflung. Aber lassen wir das. Ich möchte Dir etwas anderes erzählen.

Es geht ums Kochen. Ja, mein Freund, ums Kochen. Dein letzter Brief trug im Kreise meiner Familie (ich hoffe, das ist ok für Dich, schließlich mögen sie Dich alle nach dem, was ich über Dich erzählt habe) zur allgemeinen Belustigung bei. Wie Du weißt, gibt es bei uns kein Fastfood mehr, aber nach Deinen Erzählungen können wir verstehen, dass Du Dich hin und wieder dazu hinreißen lässt. Der Aufwand, den Du fürs Kochen betreiben musst, ist ja wirklich unerhört hoch!

Wenn wir kochen, können wir nebenbei eine Menge anderer Dinge machen. Weil wir eine Küchenmaschine haben, die wirklich einen tollen Job macht. Das fängt schon an, bevor wir überhaupt ans Essen denken. Unsere Küchenmaschine (wir haben ihr den Namen „CooKing“ gegeben, es ist also genau genommen eine männliche Maschine) macht uns regelmäßig Vorschläge, was wir am besten essen sollten. CooKing achtet natürlich auch auf gesunde Ernährung, verdirbt mir aber nicht den Spaß am Essen, denn ich bekomme Vorschläge, die gesund sind und meiner Vorstellung einer Gaumenfreude entsprechen. Ganz anders meine Frau, die schwanger ist (ich erzählte Dir ja davon, und wir freuen uns, weil es bald so weit ist!). Sie bekommt ein völlig anderes Programm angeboten, immerhin muss sie nicht nur sich, sondern auch unseren Nachwuchs mitversorgen. Glaub mir, mein Freund, die Auswahl ist so groß und wir brauchen manchmal so lange, bis wir uns entschieden haben, dass wir gar nicht die Zeit hätten, so zu kochen, wie Du das machst, denn bis dahin wären wir längst verhungert (kleiner Scherz).

Die Zutaten für unser Essen werden via Drohne geliefert, das geht recht schnell, etwa eine bis zwei Stunden nach der Bestellung trifft die Drohne bei uns ein. CooKing ist natürlich auch mit dem Kühlschrank vernetzt und gibt es regelmäßig Bescheid, wenn wir etwas verbrauchen sollten, das bald abläuft. Aber meistens macht er uns sowieso gleich Rezeptvorschläge, in denen die Lebensmittel, die nicht mehr lange halten, mit dabei sind. Ich müsste mal fragen, wann wir zuletzt etwas Verdorbenes weggeworfen haben, aber es ist lange her, das ist sicher.

Wir kochen schon noch, mein lieber Freund! Aber eben sehr effizient, CooKing leitet uns Schritt für Schritt an und passt auf, dass alles auf den Punkt genau fertig ist (ich will aber ehrlich zu Dir sein: Eigentlich hätte ich gerne ein Roboter, der das Kochen komplett übernimmt, hat hier fast jeder. Aber meine Frau wehrt sich dagegen noch ein bisschen. Obwohl ich inzwischen glaube, es könnten auch die Hormone sein, nach der Schwangerschaft bringe ich das Thema noch mal auf den Tisch).

CooKing hat vor Kurzem vorgeschlagen, wir sollten uns einen kleinen Vorrat an Hühnersuppe zulegen. Zuerst waren wir überrascht, bis wir auf Nachfrage von CooKing erfuhren, dass eine Grippewelle im Anmarsch ist und Hühnersuppe daher ein guter Einfall sein könnte. Wir haben uns dann zwar für das Grippe-Präventiv-Mittel „Stopfluenza“ entschieden, die Suppe aber trotzdem gegessen. Sicher ist sicher.

So, mein Freund aus der Vergangenheit, ich schließe für heute. Meine Frau ist der festen Überzeugung, dass ich mit ihr zur Schwangerschaftsgymnastik gehen soll, und wenn sie das sagt, dann ist das Gesetz, Du verstehst schon. Vielleicht kann ich dann sogar heute Abend das Thema Roboter noch mal anbringen. Immerhin leitet die Gymnastik auch einer, und der macht das richtig gut, geht auf jede einzelne Frau individuell ein. Ich denke, ich mache das von der Laune meiner Frau abhängig, die ein bisschen wechselhaft ist, seit sie schwanger ist.

Fühle Dich gegrüßt, pass auf Dich auf und übertreib nicht mit dem Fastfood.

Dein Philip Spricker




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